18/05/2018 – Türkei
Auf der Suche nach neuen Märkten
Die türkische Textilindustrie fühlt sich “eingeklemmt” durch regionale Konflikte und versucht sich nun international stärker zu profilieren
Türkische Textillieferanten sprechen von einem “schweren geographischen Schicksal”, sobald die Sprache auf die von Konflikten geprägten Regionalmärkte kommt - die Textilindustrie sei wie “eingeklemmt” in die andauernden Auseinandersetzungen in der unmittelbaren Nachbarschaft Syrien, Irak, Libanon. Diese Länder waren einst die wichtigsten Textilabnehmer, doch sind sie nun dem Krieg und der politischen Instabilität zum Opfer gefallen.
Daher sah sich die türkische Textilindustrie geradezu gezwungen, neue Abnehmerländer zu suchen. Neben den USA, als wertmäßig größter Markt der Welt, machten sich die türkischen Textilhersteller auf nach Asien, und hier insbesondere China, wenngleich "das Reich der Mitte" gleichzeitig auch Konkurrent für türkische Textilprodukte ist. Hierüber sprach textile network mit Osman Nuri Canik, Vice President des Verbandes der türkischen Textilexporteure UIB. Er bestätigte, dass die Situation in Syrien, Irak, Libanon, usw. “nicht gerade hilfreich” für die türkischen Exporte ist und die Textilexporte in diese Länder zurückgegangen sind. “Um diesen Verlust auszugleichen, versuchen nun die Lieferanten in neue Märkte zum Beispiel in Asien einzudringen. Für uns sind Japan, Südkorea, China aber auch die ASEAN-Gemeinschaft in Südostasien gute Absatzmärkte. Diese Länder haben eine wachsende und kaufkräftige Mittelschicht, die sich hochwertige Produkte leisten kann”, so Canik.
Investitionen in den Maschinenpark
Obwohl die Suche nach neuen Exportmärkten eine hohe Priorität hat, wies Canik darauf hin, dass auch die Türkei selbst ein lukrativer Markt ist. Dies gelte auch für die Lieferanten von Textilmaschinen und Ausstattungen. “Asiatische Lieferanten solcher Produkte haben auch gute Absatzchancen. Bei wachsenden Textilexporten wird die türkische Textilindustrie auch ihre Maschinen und Produktionsausstattung modernisieren müssen”, ist er sich sicher.
Trotz angespannter Marktlage haben sich die Exporte des Landes inzwischen erholt. Im vergangenen Jahr sind die Textilexporte sogar stark angestiegen und haben einen Gesamtwert von 157 Mrd. US-Dollar erreicht; davon entfielen auf die Heimtextilexporte 2,7 Mrd. US-Dollar und auf Bekleidungsexporte 17 Mrd. US-Dollar. “Unser Traumziel ist einen Gesamtwert von 500 Mrd. US-Dollar bis zum Jahr 2023 zu erreichen, wenn die Türkei ihr 100. Jubiliäumsjahr der Republik feiert”, sagte Canik.
Türkische Strategie
Die türkische Textilindustrie will ihre Position durch Kooperation mit ausländischen Partnern im Ausland verstärken und türkische Unternehmen sind dazu sogar auch gewillt in technischem Know-how zu kooperieren. Nach Angaben von Canik, der die Textilfirma Elvin Tekstil San. Vetic A.S. im türkischen Textilzentrum Bursa besitzt, importiert die Türkei Garn aus Malaysia, Indonesien und China. “Türkische Unternehmen können auch Gemeinschaftsunternehmen mit asiatischen Garnlieferanten gründen,” so Canik. Er empfiehlt den türkischen Polsterherstellern die Teilnahme an internationalen Möbelmessen wie z.B. in Kuala Lumpur. Hierzu Murat Atilla Bulut, Vorstandsmitglied des in Istanbul ansässigen Textilverbandes Tetsiad gegenüber textile network:: “Unsere Polsterhersteller arbeiten bereits eng mit Möbellieferanten aus Südostasien zusammen."
Der Paradigmenwechsel in der türkischen Textilindustrie wurde durch die 2016 erfolgte Finanz- und Währungskrise in den südeuropäischen Ländern Griechenland, Spanien, Portugal und Italien verursacht. Zudem war das Exportgeschäft mit Russland aufgrund der internationalen Sanktionen beeinträchtigt. Der Rückgang der Ölpreise hat die Kaufkraft Russlands zudem stark geschwächt, was wiederum Auswirkungen auf die Importe aus der Türkei hatte die stark fielen. Hinzukamen politische Unruhen in der Türkei, aber wie Canik meinte, “die Situation hat sich stabilisiert und die Stimmung in der Türkei ist wieder positiv. Die Wirtschaft erholt sich. Die Textilindustrie sieht wieder zuversichtlich in die Zukunft.” Auslandskäufer könnten sich in der Türkei “absolut sicher fühlen.”
Ehrgeizige Pläne für Bursa
Mit Unterstützung des türkischen Industrieministeriums sowie der Bursa Handelskammer hat die türkische Textilindustrie ehrgeizige Pläne für die Stadt Bursa entwickelt. Die Millionenstadt im Nordwesten der Türkei lebt hauptsächlich von der Textilwirtschaft und gilt als Textilzentrum der Türkei. Hier entsteht die 4.0 Industrieproduktionszone "Teknosab", nach den modernsten Maßstäben und unter Einsatz von Robotern und automatisierten Maschinen aufgebaut. Laut Canik können hier auch ausländische Firmen investieren, ohne dazu ein Grundstück erwerben zu müssen., vielmehr könne man dieses für 15 oder mehrere Jahre vom Staat pachten. Bursa habe mehr als 5.000 Unternehmen, die sich in verschiedenen Aspekten der Textilherstellung und Textilverarbeitung tätig seien und eigne sich gut als Produktionsstätte, denn die Preise seien hier “niedriger als anderswo”.
Türkische Textilexporteure müssen sich zwar im Wettbewerb, vor allem aus China, Bangladesch, Laos, Vietnam aber auch Indonesien behaupten, dennoch lassen viele etablierte europäische Marken in der Türkei produzieren. “Unsere Antwort auf die Konkurrenz lautet innovative und qualitativ hochwertige Produkte zu bieten. Und wir wollen auch mit Branding – dem Aufbau von Marken – unsere Position in den internationalen Märkten stärken,” so ein Vertreter eines in Istanbul ansässigen Textilunternehmen. Hierzu will man stärker in moderne Maschinen und Ausstattung investieren. Laut Schweizer Textilherstellerverband investiert die Türkei derzeit viel Geld in moderne Textilmaschinen, vor allem in Spinnereimaschinen und kauft diese in der Schweiz, in Deutschland und in Italien.