30/03/2015

Gesamtverband Textil- und Modeindustrie: Außenwirtschaftstag in Berlin

 „Die Zukunft ist textil“ -

Prof. Dr. Nick Lin-Hi, Universität Mannheim (stehend) erläuterte zu Beginn des CSR-Forums seine These, Corporate Social Responsibility sei ein wi...

Prof. Dr. Nick Lin-Hi, Universität Mannheim (stehend) erläuterte zu Beginn des CSR-Forums seine These, Corporate Social Responsibility sei ein wichtiger Beitrag zum Unternehmenserfolg. Moderation: Rainer Schlatmann, Journalist weitere Teilnehmer: Petra Campanelli, BMWi; Thomas Rasch, GermanFashion; Heiko Wehner, Fa. Karl Otto Braun; Yvonne Zwick, Rat für Nachhaltige Entwicklung; Helmut Fischer, BMZ

 
Rund 200 Teilnehmer nutzen den Außenwirtschaftstag als Plattform, um sich über wichtige Branchenthemen auszutauschen

Rund 200 Teilnehmer nutzen den Außenwirtschaftstag als Plattform, um sich über wichtige Branchenthemen auszutauschen

 
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Selbstbewusst, überzeugend und charmant repräsentierte Ingeborg Neumann die Branche auf dem Außenwirtschaftstag, den das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Gesamtverband am 3. März in Berlin veranstaltete.  Das Motto der Präsidentin des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie? Die Zukunft ist textil!

Vertreter von Unternehmen, Verbänden, Verwaltung und Politik diskutierten in Diskussionsforen und Praxisworkshops neben aktuellen Herausforderungen in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten unter anderem auch Chancen und Risiken in internationalen Zielmärkten der Textil- und Modeindustrie. Rund 200 Teilnehmer nutzen den Außenwirtschaftstag als Plattform, um sich über wichtige Branchenthemen auszutauschen.

„Der Außenwirtschaftstag schärft den Blick für die Frage, welche Rahmenbedingungen notwendig sind, damit Unternehmen der Textil- und Bekleidungsbranche auch weiterhin weltweit wettbewerbsfähig sein können. Einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Exportchancen leistet das Bundeswirtschaftsministerium bereits heute mit dem Programm zur Erschließung von Auslandsmärkten. Dieses gilt für Unternehmen aller Branchen. Im laufenden Jahr stehen hier 82,5 Millionen Euro zur Verfügung. Besonders in der Textil- und Modebranche gibt es viele kleine und mittlere Unternehmen, die so die Möglichkeit haben, ihre weltweiten Geschäftsaktivitäten auszubauen.“

Verbandspräsidentin Ingeborg Neumann: „Deutschland ist Exportweltmeister für technische Textilien. In 2014 ist der Export im Vergleich zum Vorjahr von 24 auf 25 Milliarden Euro gestiegen. Der Zuwachs von vier Prozent ist ein echtes Ausrufezeichen“. Dies sei noch höher zu bewerten angesichts des in 2014 stark eingebrochenen Geschäfts mit Russland, das nach der EU bislang zweitgrößter Absatzmarkt der Branche ist. 2014 erreichte die Branche insgesamt ein Umsatzwachstum von 2,1 Prozent und hat damit das Ergebnis von 2013 (-1,1 Prozent) deutlich verbessert. Für 2015 wird ein Umsatzzuwachs von etwa 1,5 Prozent erwartet.

„In der öffentlichen Meinung ist Textil vor allem Kleidung. Das wird auch so bleiben und das ist auch wichtig. Textil ist heute aber weit mehr als Kleidung und in allen Bereichen unseres modernen Lebens zu finden“, so Neumann. Dennoch sei nach wie vor vielen Menschen nicht bewusst, was Textilien heute alles zu leisten vermögen. Daran müsse die Branche stärker arbeiten und für eine neue Wahrnehmung der Textil- und Bekleidungsindustrie in der Öffentlichkeit werben.

Als hohe Belastung für die exportstarke Industrie bewertete Ingeborg Neumann die Stromkosten in Deutschland. Nur so könne die deutsche Industrie international wettbewerbsfähig bleiben.

Die Handelspolitik der EU diskutierten die Teilnehmer vor dem Hintergrund internationaler Lieferketten. Einigkeit bestand hinsichtlich der hohen Bedeutung des Freihandels für den Standort Deutschland und seine exportstarken Branchen wie die Textil- und Modeindustrie. Die Unternehmer betonten die zunehmende Schwierigkeit, komplexe regulatorische und gesetzlichen Vorgaben auf nationaler und internationaler Ebene einzuhalten, was auch im Kontext globaler Wettbewerbsfähigkeit kritisch zu sehen ist. Insbesondere die von der Branche intensiv genutzten Handelspräferenzen unterliegen sehr restriktiven und veralteten Ursprungsregeln. Viele Textil- und Bekleidungsherstellern können diese kaum noch erfüllen. Beim Marktzugang in Drittstaaten stellen hohe Einfuhrzölle und zunehmend nichttarifäre Handelshemmnisse ähnliche Herausforderungen dar. Großkonzerne können diese angesichts ihrer fachlichen und personellen Mittel vergleichsweise leichter bewältigen.

Abkommen wie TTIP würden daher in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen begünstigen.

Mit Blick auf Freihandelsgespräche schilderte die EU-Kommission die schwierige Integration von Partikularinteressen einzelner Industrien, der 28 EU-Mitgliedstaaten und der Verhandlungspartner. Die niedersächsische EU-Abgeordnete Dr. Godelieve Quisthoudt-Rowohl zeigte sich optimistisch, dass es im Lauf dieses Jahres wesentliche Fortschritte bei den Verhandlungen über TTIP geben wird.

Prof. Dr. Nick Lin-Hi erläuterte zu Beginn seine These, Corporate Social Responsibility sei ein wichtiger Beitrag zum Unternehmenserfolg. Thomas Rasch führte aus, dass deutsche Unternehmer in der Regel nicht Arbeitgeber mit eigenen Fabriken, sondern Auftraggeber lokaler Unternehmer seien und auf die Produktionsbedingungen deswegen nur mittelbaren Einfluss hätten. Wichtige Rahmenbedingungen müssten von Produktionsstaaten selbst geschaffen werden, zum Beispiel eine rechtsstaatliche Ordnung. Heiko Wehner berichtete aus seiner praktischen Erfahrung von etwa 100 Audits, die allein in der indischen Fabrik jährlich unangemeldet durchgeführt würden. Helmut Fischer erklärte die Bereitschaft des Entwicklungshilfeministeriums, den Dialog über die Maßnahmen des „Bündnisses für nachhaltige Textilien“ mit den Vertretern der Wirtschaft konstruktiv fortzusetzen. Aus heutiger Perspektive sei der Prozess im vergangenen Jahr nicht optimal gelaufen; Fehler könnten korrigiert werden. Yvonne Zwick betonte die Verantwortung der Verbraucher und erläuterte den nachhaltigen Warenkorb des Rats. Die Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens legte Petra Campanelli von der nationalen Beschwerdestelle der OECD dar.

Allgemeine Marktpotenziale sowie individuelle unternehmerischen Herausforderungen in den drei Schwerpunktländern Brasilien, Mexiko und Kolumbien wurden im Workshop II kritisch beleuchtet. Vertreter von zwei namhaften deutschen Unternehmen, die in Lateinamerika selbst geschäftlich aktiv sind, berichteten zudem über ihre eigenen Erfahrungen in der Praxis. Hierbei zeigte sich, dass Lateinamerika bis heute zwei Seiten der Medaille hat: Einerseits eine dynamische Wirtschaftsentwicklung, die einen großen Bedarf an Konsumgüterprodukten bzw. industriellen Vorerzeugnissen schafft. Andererseits erschweren eine protektionistische Handelspolitik, vielfältige nichttarifäre Handelshemmnisse bzw. häufig Korruption den Markteintritt für deutsche KMU.

Zentrale Erfolgsfaktoren der Markterschließung in der Praxis wurden aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Auch die seitens der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Instrumente der Außenwirtschaftsförderung wurden beleuchtet. Der Workshop bot für KMU eine erste Orientierung und konkrete Hilfestellungen beim Markteinstieg im Ausland sowie die Möglichkeit für einen intensiven Austausch mit Fachexperten.

Aspekte der Veränderung von Absatzmärkten wurden in Workshop III anhand von ausgewählten Schwerpunktländern Asiens diskutiert. Ein Unternehmen aus dem Bereich Technische Textilien berichtete über seine Erfahrungen aus der Praxis beim Aufbau von Produktion und der Markterschließung. Es zeigte sich, dass die Exportpotenziale für KMU der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie nicht nur in China, sondern u. a. auch in Südostasien tendenziell eher zunehmen.

Der Geschäftsführer von Germany Trade & Invest, Dr. Jürgen Friedrich, betonte die Chancen der Außenhandelsaktivitäten. Die GTAI vermarktet den Wirtschafts- und Technologiestandort Deutschland im Ausland, informiert deutsche Unternehmen über Auslandsmärkte und begleitet ausländische Unternehmen bei der Ansiedlung in Deutschland. Er bot der Branche ausdrücklich Unterstützung bei ihren jeweiligen Aktivitäten an. Manfred Junkert, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes textil+mode, zog aus Sicht des Gesamtverbandes ein Fazit: Die Bedeutung textiler Produkte werde eher noch wachsen, denn komplexere Produkte erforderten mehr Flexibilität in Herstellung und Anwendung. Dadurch stiegen die Anforderungen nach funktionellen Eigenschaften noch stärker – und hier hätten Textilien besondere Stärken.