05/05/2020 – Neue Ausbildungstrends an der Modeschule Michelbeuern
eTextilien und 3D-Druck
Ein Gespräch mit Elisabeth Simhandl über den technologischen Wandel bei Textil in Produkt und Technologie und deren Auswirkung auf die Ausbildung.
Wer im 9. Wiener Bezirk seine Ausbildung zum Modemacher beendet, hat nicht nur seinen Traumberuf in der Tasche, sondern in den vergangenen drei bzw. fünf Jahren (Fachschule bzw. Höhere Schule mit Abiturabschluss) seine komplette Garderobe selbst kreiert und sodann laut eines Kommentars auf der Facebook-Seite „von den Lehrern wie künftige Kollegen in der Branche behandelt“.
Unser Autor Hans-Werner Oertel sprach exklusiv für textile network mit Elisabeth Simhandl, die als Fachvorständin für Mode und Bekleidungstechnik mit ihrem Team den technologischen Wandel bei Textil in Produkt und Technologie zeitnah in die Ausbildungspläne mit einfließen lässt.
textile network: Frau Simhandl, die HLMW9 ist eine berufsbildende Schule, die es so nur in Österreich gibt ...
Elisabeth Simhandl: … die aber auch international gefragt ist. Im Kolleg für Modedesign (vier Semester) kommen die Studierenden auch aus Europa und darüber hinaus, in der zweisemestrigen Meisterschule für Herren (nach abgeschlossener fünf-jähriger Modeschule oder einer Herrenschneiderlehre) haben wir auch Schüler aus Deutschland und der Schweiz. Ganz im Gegensatz kommen die künftigen Absolventen der Höheren Lehranstalt bzw. unserer Fachschule Mode wie auch des Aufbaulehrgangs für Mode ausschließlich aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Insgesamt bereiten sich gerade 420 junge Menschen auf ihre spannende wie facettenreichen berufliche Perspektive vor.
In Michelbeuren wird nicht nur Handwerk, Modegeschichte und Kreativität vermittelt.
textile network: Welche weiteren Ausbildungsschwerpunkte haben Sie?
Elisabeth Simhandl: Neben der Fachausbildung in der Herren- und Damenkleidermacherei sollen die Schüler auch selbstständig Prototypen und Kollektionen erstellen können oder Modeevents organisieren. Zur Ausbildung gehören auch der Erwerb umfassender kaufmännischer Kenntnisse, Prozessgestaltung und Datenmanagement sowie die Projektbegleitung im kreativwirtschaftlichen Bereich.
textile network: Die Mode der Zukunft kommt an Smart Textiles kaum vorbei. Wie fließen diese Inhalte in den Studienbetrieb mit ein?
Elisabeth Simhandl: Im Rahmen der InnoDays im Herbst 2019 in Bregenz erarbeiteten die Kolleg-Teilnehmer im Auftrag führender Unternehmen innovative Produktideen. Dabei wurden erste Prototypen kreiert; so ein Heat Seat – die Gewinner-Idee der Kategorie „Smart Textiles“. Besonders interessant in diesem Bereich war auch ein Auftrag in Kooperation mit dem Wiener Rathaus. Dabei wurde Sicherheitsbekleidung für Radfahrer entwickelt und gefertigt. Die Prototypen der Radbekleidung wurden mit LED-Modulen ausgestattet.
textile network: Wohin wird sich die HLMW9 in Zukunft entwickeln?
Elisabeth Simhandl: Wir möchten die Mode-Ausbildung Richtung technisch-kreativen Bereich vertiefen, das bedeutet die Kreativität durch Digitalisierung zu unterstützen. Dabei werden die Ideen nicht mehr auf Papier gebracht, sondern gleich in ein Grafik- und Zeichenprogramm. Diese können sofort vom Tablet auf den Bildschirm übertragen und durch geeignete Programme in eine technische Zeichnung umgewandelt werden.
textile network: Wie sieht das konkret aus?
Elisabeth Simhandl: Wir haben durch Kooperation mit der Industrie die Möglichkeit, unser Können für Sicherheits- und Sportbekleidung einzubringen. Hier liegt der Fokus auf den sogenannten Wearables. Bei der Sportbekleidung setzt man zum Beispiel Module ein, die das
Wärmeverhalten steuern können. Auf technologischer Seite peilen wir für Strick- und Wirkwaren die Herstellung von textilen Produkten mittels 3D-Drucker an. 3D-Stricken ist auch aus unserer Sicht eine Fertigungstechnik mit Zukunft. Ziel ist es dabei, unsere Schülerinnen und Schüler für das kreativ-technische Denken zu begeistern.
Frau Simhandl, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen für textile network stellte Hans-Werner Oertel.