18/05/2022 – Innovationen

Gefüllte Hohlfasern für textile Schutzzonen am Körper

Textile Schockabsorber sind eines der Highlights auf dem Innovationstag Mittelstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Juni.

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Projektleiter Dr. Lars Blankenburg mit Halbzeugen auf Basis dilatanter Fluide. © TITK

 
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Mit dilatantem Fluid gefüllte Hohlfasern. © TITK

 

Ob für Freizeit, Beruf, Medizin oder Verkehr: Vollkommen neue Funktionstextilien wie intelligente Kleidung, textile Wundsensorik oder demnächst vielleicht auch Schutzwesten und Sicherheitsgurte mit gefüllten Kern-Mantel-Fasern erschließen stetig neue Umsatz- und Anwendungshorizonte. Zu den Highlights auf dem Innovationstag Mittelstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 23. Juni in Berlin gehören mit Blick auf den Schutz des Menschen und seiner Gesundheit textile Schockabsorber aus Rudolstadt. Für ihre Entwicklung wählten Industrieforscher vom Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK) einen neuartigen Konzeptansatz der thermoplastischen Einbindung in die Faser.

Vom Fluid zum Festkörper in Millisekunden

Bei den erstmals gezeigten prototypischen Filamenten, Geweben und Gestricken kommen auf der Faserebene sogenannte dilatante Fluide zum Einsatz. Die speziell synthetisierten, ökologisch und physiologisch unbedenklichen Flüssigkeiten werden bereits im Spinnprozess in die Hohlfasern eingelagert. Die Dilatanz sorgt nach plötzlicher Krafteinwirkung wie Aufprall oder Schlag dafür, dass sich das zähflüssige Fluid binnen Millisekunden in einen temporären Festkörper verwandelt; die Fasern versteifen sich und können damit eine Schutzwirkung bieten. Denkbare Massenprodukte mit reversibler Protektionswirkung, bei der die Füllung der textilen Hohlfasern nach dem Schadensereignis wieder ihre ursprüngliche Konsistenz annimmt, könnten nach Angaben des Projektteams das Angebot der Freizeit-, Arbeitsschutz- und Sportartikelindustrie bereichern und zudem Einsatz im Automobilbau oder im Bauwesen finden.

Optimierung des Materials wird gefördert

TITK-Projektleiter Dr. Lars Blankenburg verwies in diesem Zusammenhang auf das beachtlich große Interesse von mittelständischen Faser- und Garnherstellern, Textilbetrieben sowie einem Großunternehmen aus dem Reha-Bereich an den bisherigen Ergebnissen des vorwettbewerblichen Förderprojekts. „Jetzt ist klar: Die per Bikomponenten-Schmelzspinnen hergestellten Filamente und Fasern lassen sich anschließend mit gängiger Textil- und Bekleidungstechnik weiterverarbeiten.“ Blankenburg zeigte sich zudem erfreut, dass das ursprüngliche Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) inzwischen eine Anschlussförderung durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand ZIM des BMWK erhalten habe. Nun werde es im Netzwerk mit interessierten Mittelständlern möglich, das neue Material weiter zu optimieren. Zum Beispiel müsse die „Ausblutung“ der Hohlfaser nach mechanischer Einwirkung durch intelligentes Containment verhindert bzw. eingeschränkt werden. Eine weitere Herausforderung sei es, neben der exakten Quantifizierung der Schutzwirkung und dem Erkenntnisgewinn zur erforderlichen Menge bzw. Dicke der Protektoren vor allem noch an der zu geringen Festigkeit der Fasern beispielsweise durch variierte Inhaltsstoffe zu arbeiten.

Weitere Innovationen auf dem BMWK-Event

Zu den Exponaten aus dem Bereich der vorwettbewerblichen IGF auf dem Innovationstag gehören auch Teppiche getuftete Geotextilien (TFI Aachen), die Böschungen stabilisieren und nach Starkregen die Bodenerosion reduzieren sollen. Des Weiteren werden Einkomponenten-Verbundwerkstoffe aus Cellulose vorgestellt, die unter anderem in der Reifenindustrie Anwendung finden könnten (DITF Denkendorf).

Auf dem BMWK-Event in Berlin haben die erwarteten rund 2000 Besucher die Möglichkeit, mit innovativen Mittelständlern, Industrieforschern und Fördermittelgebern über die wirtschaftlich-technischen Herausforderungen rund um Klimawandel und Ressourceneinsparung ins Gespräch zu kommen. Bei der ganztätigen Open-Air-Veranstaltung werden von mehr als 200 Ausstellern aus Unternehmen und industrienahen Forschungseinrichtungen branchenübergreifend zukunftsorientierte Problemlösungen und neue technologische Ansätze für den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft präsentiert.