28/06/2021 – Textiler Digitaldruck – Interview

Multi-Plot: Was digital werden kann, wird digital.

„Der digitale Textildruck ist ein Schlüsselfaktor in der Fabrik der Zukunft und gewinnt immer mehr an Bedeutung.“ Joe Rees, Geschäftsführer Mulit-Plot.

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Joachim Rees, Geschäftsführer Mulit-Plot: „Neue digitale Technologien ermöglichen nicht nur die lokale Produktion ohne Verschmutzung der Umwelt durch Transporte und Überproduktion, sondern verwenden auch deutlich weniger Chemie und Energie.“ © Multi-Plot

 
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Fast alle Stoffarten lassen sich mittlerweile bedrucken und selbst als unbedruckbar geltende Materialien, wie z. B. Nomex, sind heute machbar. Im Bild: Joe Rees (Multi-Plot) mit Alexander Artschwager (DITF) © Multi-Plot

 

Das Unternehmen Multi-Plot in Bad Emstal ist bekannt für seine enorme Innovationskraft und Flexibilität rund um das Thema textiler Digitaldruck. Im Exklusiv-Interview gibt uns Inhaber und Geschäftsführer Joachim Rees interessante Einblicke wie der digitale Textildruck den Herstellungsprozess von Bekleidung maßgeblich verändern wird.

textile network: Wie bewerten Sie die künftigen Anteile des Digitaldrucks in der Textilindustrie im Vergleich zu anderen Druckverfahren?

Joachim Rees: Alles was digital werden kann, wird digital. Somit ist Digitalisierung längst Bestandteil von Wirtschaft und Gesellschaft. Daten sind der Treibstoff und Grundlage um die Herausforderungen der Zukunft zu gestalten. Nur so kann man den globalen Megatrends von Individualisierung, Nachhaltigkeit und digitaler Vermarktung folgen. Viele Industriezweige, wie zum Beispiel Fotografie, Papierdruck und Kommunikation, haben das bereits hinter sich. Die konservative Textilindustrie tut sich da deutlich schwerer mit dem digitalen Wandel. Oftmals sind andere Anbieter ohne textile Historie mit Produkten und Vermarktungen schneller und mutiger am Ziel als etablierte Textilfirmen. Der digitale Textildruck ist ein Schlüsselfaktor in der Fabrik der Zukunft und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Mittlerweile lassen sich auch Baumwolle und Mischgewebe ohne Dämpfen und Waschen schnell und kostengünstig bedrucken. Die Hardware ist preiswert und wird, wie alle digitale Applikationen, immer leistungsfähiger und smarter. Digitale Technik wird nach meiner Ansicht der Standard werden und analoge Drucktechniken in die Nische drängen.

textile network: Wie schnell gehen Innovationen bei Digitaldruckmaschinen voran? Was sind die herausragenden Entwicklungen?

Joachim Rees: Vor genau 20 Jahren hatten wir den ersten digitalen Textildrucker Mimaki TX-1 und konnten mit viel Geduld einen Laufmeter pro Stunde drucken. Ein Meilenstein war damals der erste Druckkopf mit Piezo-Technologie von der Firma Epson. Heute sind max 120 m/min mit feststehenden Druckköpfen (single pass technologie) möglich. Geschwindigkeit ist also technologisch machbar. Auch die Druckbreiten von 0,6 m bis zu 5m bieten passende Lösungen für fast alle textilen Applikationen an. Eine große Auswahl von textilen Inkjetdruckern und passenden Tinten sind verfügbar. Fast alle Stoffarten lassen sich mittlerweile bedrucken und selbst als unbedruckbar geltende Materialien, wie zum Beispiel Nomex, sind heute machbar. Aber auch andere Textilmaschinen haben sich weiterentwickelt und bieten heute Industrie-4.0-Schnittstellen zum Aufbau einer smarten digitalen Microfactory.

Webbasierende Software wird es in der Zukunft sehr leicht machen, als Endkunde direkt beim Hersteller individuelle Produkte einkaufen zu können. Ein Ende des schnellen Entwicklungsprozess ist nicht in Sicht. Dies sehen auch die großen globalen Konzerne und haben aus dem Nischenmarkt den Markt der Zukunft kreiert.

textile network: Inwieweit ermöglichen digitale Prozesse eine Beschleunigung und Flexibilisierung der Bekleidungs-Produktion?

Joachim Rees: Digitale Produktion glänzt mit schneller individueller Herstellung. Druckdaten, als wichtiges geistiges Eigentum und Designelement, brauchen die Firma bei einer eigenen Produktion nicht mehr zu verlassen. Das bedeutet es gibt weniger Angriffsfläche für Plagiate. Es können Muster hergestellt werden, um Logistik und Zeit zu sparen. Man kann sogar den Kunden bei Auftragsarbeiten mit in die Produktionskette einbinden. Auch lassen sich erfolgreiche Produkte zeitnah reproduzieren. Ein intelligentes Produktmanagement kann zudem eine Überproduktion vorbeugen. Zudem gibt es keine Rüstzeiten und Stillstand der Maschine. Das ist nachhaltig und schont auch den Geldbeutel.

Neue digitale Konzepte, wie zum Beispiel Bodyscanning und visuelle Simulation, werden Ihren Weg in die schnellen G5-Mobilgeräte finden und vieles verändern. Die digitale Zukunft sollte in den Unternehmen jetzt in Gang gesetzt werden.

Schon heute liefern erfolgreiche Firmen individuelle Sportbekleidung innerhalb von Tagen direkt an Endkunden aus. Das Internet ist hierbei automatische Kontaktstelle, Auftragsannahme, Auftragsbearbeitung, Logistiker und Buchhalter ohne hohe Personalkosten.

textile network: Wie energieeffizient sind digitale Technologien im Vergleich zur Rotationsproduktion?

Joachim Rees: Neue digitale Technologien ermöglichen nicht nur die lokale Produktion ohne Verschmutzung der Umwelt durch Transporte und Überproduktion, sondern verwenden auch deutlich weniger Chemie und Energie. In einem Forschungsprojekt des DBU in Zusammenarbeit mit der Hochschule Niederrhein und Multi-Plot konnten signifikante Einsparungen von Energie, Wasser und Zeit bewiesen werden. Bei einer smarten Microfactory können alle Parameter, wie Energie und Kosten, direkt ermittelt und reguliert werden. Zudem fallen bei einem Digitaldrucker fast keine Abfallstoffe an. Bei Druckmaschinen mit Rotationswalzen werden große Mengen an Chemie für das Auffüllen, Wechseln und Reinigen verwendet. In vielen Ländern gelangt das belastete Abwasser direkt in die Umwelt und schädigt Mensch und Natur. Es müssen zudem keine Walzen pro Farbe hergestellt und gelagert werden. Das spart sowohl Erstkosten und auch hohe Folgekosten. Der Digitaldruck kann hingegen Millionen von Farben ohne Raster verarbeiten und digital dokumentieren und speichern.

Herr Rees, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen für textile network stellte Ilona Schulz.