04.07.23 – 95 Jahre Film- & Fashion-Geschichte auf 480 Seiten
Dijanna Mulhearns Werk „Oscars – Glamour auf dem roten Teppich“
Exakt, nun ist das Kompendium der in Sidney lebenden Modejournalistin, Stylistin und Designerin auch ohne aufwendige Auslandsbestellung hierzulande erhältlich – und das in gelungener Übersetzung in die deutsche Sprache. So kommt zu den von Dijanna Mulhearn akribisch zusammengetragenen Fakten hinsichtlich Datum, Veranstaltungsorten auch jede Menge Historisches der fast 100-jährigen (Mode-)Geschichte der Oscar-Verleihungen optimal rüber: angefangen beim ersten Academy Award 1929, bis hin zur letztjährigen Veranstaltung 2022.
Perfektes Nachschlagewerk überdies mit dem Rückblick auf ein vielfaches … And the winners are: Mulhearn stellt zu jedem prämierten filmischen Werk übersichtlich jeweils die Sieger in den Kategorien „Bester Film“, „Bester Hauptdarsteller“, „Beste Nebendarsteller“ und „Bestes Kostüm-Design“ vor.
Spannend lesen sich auch all die Anekdoten aus der Film-Branche mit hohem Unterhaltungswert und fundiertem Hintergrundwissen. Beispiel: die Schauspielerin Luise Rainer hatte in 1937 kein bisschen erwartet zu den Gewinnern zu zählen, trat dann spontan im wohl eleganten Nachthemd auf mit darüber gezogenem Pelz – der wäre heute wohl mehr ein No-Go als das Bettgewand – um ihren Oscar in Empfang zu nehmen.
820 großformatige Abbildungen aus den Jahren ab 1949 machen das Kompendium zu einem Grundsatzwerk der neueren Kostümgeschichte. Ein Must-have für alle Filmbegeisterten und Fans glamouröser Roben und Outfits, um nicht zu sagen für Modeschaffende allesamt: So eröffnet das Werk auch eine Zeitreise durch die modische Entwicklung im jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Klima. 1940 beispielsweise war Hattie McDaniel die erste Afroamerikanerin, die einen Oscar erhielt, durfte aber das Hotel „für Weiße“ nur durch einen Nebeneingang betreten und nicht mit den anderen Schauspielern an einem Tisch sitzen.
So zeigt der Glamour auf dem roten Teppich auch den Wandel gesetzter weiblicher Ideale und Typisierung auf, wie diese schon früh auch für Marketing-Zwecke eingesetzt wurden. Die Autorin dokumentiert zudem die in den 1960er-Jahren aufgekommene Nutzung der Plattform „roter Teppich“ für anti-sexistischen Protest und das Erscheinungsbild erster außergewöhnlicher statement pieces seit den 2000er-Jahren auch bei den männlichen Protagonisten der Filmszene als Ausdruck von Individualität. Ebenso schildert Mulhearn den Einfluss der Mode auf den Hollywood-Betrieb insgesamt, die Bedeutung von Styling im Zuge persönlicher Inszenierung, die Kommerzialisierung des roten, wenn auch seit 2022 (fürs erste?) beigen, Teppichs.
Wie schreibt Weltstar Cate Blanchett so treffend in ihrem Vorwort: „Der Rote Teppich der Oscar-Verleihungen scheint mir von jeher der Ort zu sein, an dem Mode, bildende Kunst und Theater sich überschneiden und deshalb gab es keinen besseren, um die dramatischen Kreationen vorzuführen. (…) Und ich weiß auch, wieviel Blut, Schweiß und Tränen in jedes Modell investiert wurden.“