26.01.21 – Nachhaltigkeits-Startups Folge 4: bleed clothing GmbH (Helmbrechts/Oberfranken)
Ziel Zero (4): Das Unmögliche wagen
Alles was wir an Bekleidung tragen, sollte entweder recycelbar oder vollbiologisch abbaubar bzw. verrottbar sein. Innovative Start-ups zeigen Wege auf.
Der Gedanke fasziniert Textilforscher wie auch Newcomer im Textil- und Modebereich gleichermaßen: Eines möglich frühen Tages sollte alles, was wir an Bekleidung tragen, entweder recycelbar oder vollbiologisch abbaubar bzw. verrottbar sein. Dafür sind keine Patentrezepte in Sicht, wohl aber Einzelschritte, die mit neuen Materialien und Technologien in die richtige Richtung zielen. textile network (TNW) stellt in lockerer Folge Start-ups aus dem deutschsprachigen Raum vor, die mit Blick auf eine verbesserte Kreislaufwirtschaft deutlich die Grenzen des bisher Möglichen sprengen.
Folge 4: bleed clothing GmbH (Helmbrechts/Oberfranken)
Mit Reisschalen und Herzblut zu neuen Produkt-Horizonten
Nomen est omen: Mit der Lifestylemarke bleed (bluten), dem gleichnamigen Onlineshop und dem Lagerverkauf setzt ein Team aus der Textilregion Oberfranken in Sachen Sport- und Outdoor-Bekleidung besonders nachhaltige Akzente. Der Lei(d)tgedanke von Textildesigner, Outdoor-Fan und Gründer Michael Spitzbarth dahinter: „Die Natur hat genug geblutet, deshalb müssen wir die ganze textile Kette neu denken.“ In den Nullerjahren hatte der ehemalige Freelancer aus Helmbrechts häufig noch gegenteilige Erfahrungen in der Textilpraxis machen müssen: fehlende Nachhaltigkeitsstrategien, blinde Flecken in den Lieferketten, Sozialdumping ... Ab 2009 stand dann für den jungen Gründer fest: „Wir müssen mit Herzblut gegensteuern.“ Seit zwei Jahren ist sein Unternehmen als klimaneutral zertifiziert; die Outdoor-Bekleidungsmarke steht für nachhaltigen, aktiven Lifestyle.
textile network: Sie wollen 2021 Ihren Nachhaltigkeitsanspruch weiter auf die Spitze treiben – womit?
Michael Spitzbarth: Bei unseren an sich schon nachhaltigen Sportartikeln durch den Mehreinsatz von klimaneutralen und recycelten Rohstoffen sowie verbesserter Funktionalität. Nur ein Beispiel: Werden Sneakers ohne Recyclingstrategie in Asien produziert, fallen für Produktion und Logistik pro Paar 16 bis 20 kg CO2 an; dagegen bei der Herstellung in Europa und mit hohem Anteil an recycelbaren Materialien nur etwa 4 kg CO2. Diesen Weg beschreiten wir konsequent mit unseren Eco4sneakers. Zudem sind wir bemüht, den Innovationsgrad bei unserer Sportbekleidung weiter hochzuschrauben. Vor diesem Hintergrund kommt im Frühjahr eine Beachwear-Kollektion auf komplett recycelter Basis auf den Markt. Die Rohstoffe dafür waren im ersten Produktleben Fischernetze aus dem Mittelmeer, die in Italien und Kroatien aufgearbeitet bzw. verwebt und konfektioniert werden.
textile network: Was geht entwicklungsseitig noch?
Michael Spitzbarth: Wir verfolgen zudem zahlreiche Innovationsansätze für funktional-nachhaltige Bekleidung, so für Surfshorts. Bei den Funktionshosen in unserer Wanderkollektion können wir jetzt mit verbesserter Elastizität und Atmungsaktivität punkten. Um ein drittes Beispiel zu nennen: In Zusammenarbeit mit dem Hersteller Zanier Gloves haben wir gerade die ersten klimaneutralen Funktionshandschuhe auf den Markt gebracht – die Bleed X Zanier Eco20 Active Gloves. Die CO2neutralen Outdoor-Handschuhe werden überwiegend aus Recycling- bzw. biologisch abbaubaren Materialien gefertigt und können ihrerseits wiederum zum größten Teil in die Kreislaufwirtschaft eingebracht werden. Dieses Konzept überzeugte im vergangenen Jahr auch die Jury des Green Product Award, sodass unsere beiden Firmen dafür mit dem Green Concept Award 2020 ausgezeichnet wurden.
textile network: Auf welche Eigenentwicklung sind Sie besonders stolz?
Michael Spitzbarth: Da muss ich nicht lange nachdenken: Auf unsere Eco4sneakers natürlich, dessen Vorläufer seit Mitte 2019 und in der Eco4-Version seit 2020 als Resultat einer fast vierjährigen Entwicklungszeit erhältlich sind. Der Produktionsstart erfolgte nach einer Crowdfunding-Kampagne, deren Finanzierungsziel bereits nach sechs Stunden überschritten wurde – ein Zeichen, dass unsere Kunden auf solche Nachhaltigkeitserzeugnisse geradezu warten. Dem Schuh liegen vier Prinzipien zugrunde: Klimaneutralität, Hand made in EU (in diesem Fall Portugal), Recycelbarkeit aller Materialien und der Anspruch vegan bzw. tierleidfrei zu sein.
Zu den Details gehören, dass zum Beispiel die Sohle aus alten Autoreifen und Naturkautschuk besteht. In der 4er Version ersetzen recycelte Reisschalen das Reifenmaterial und verhindern so die Entstehung von Mikroplastik durch Abrieb. Für die Einlegesohlen verwenden wir portugiesisches Kork, recyceltes PET und Autoreifen; das Sneaker-Außenmaterial besteht aus Textilresten bzw. recyceltem PET.
bleed clothing GmbH auf einen Blick:
Gründung: 2009 und seitdem stringent auf Nachhaltigkeitskurs
Gründer: Michael Spitzbarth (39)
Mitarbeiter: 18
Alleinstellung: Nachhaltige Mode- und Sportbekleidung im Dreiklang mit ökologischem, sozialverträglichem und tierleidfreiem Lifestyle
textile network: Wie sieht bleed 2025 aus?
Michael Spitzbarth: Nachdem wir mit diesen Neuentwicklungen und der Inbetriebnahme unseres Hauptquartiers samt Showroom auf einer alten Industriebrache 2020 einen wesentlichen Schub bekommen haben, geht es künftig auch darum, regionale Lieferketten und Vertriebskanäle aufzubauen. Entwicklungsseitig wollen wir uns mit unserem Nachhaltigkeitsanspruch um Denimware im Allgemeinen und im Besonderen um deren Funktionalitäten kümmern.
textile network: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wie würde dieser lauten?
Michael Spitzbarth: Mein Wünsch wäre, dass immer mehr Menschen bewusst und nachhaltig konsumieren. Einkaufen nach dem Geiz-ist-geil-Motto und dem Slogan „Nach mir die Sintflut“ sollte immer mehr der Vergangenheit angehören.
textile network: Eine letzte Frage zur Coronakrise: Wie hat sich die Pandemie bislang auf Ihre Firma ausgewirkt?
Michael Spitzbarth: Ganz antizyklisch eigentlich, denn schlussendlich können wir als Firma auf ein gutes Jahr 2020 mit Umsatzsteigerungen zurückblicken – trotz des virusbedingten Wegbrechens einiger Lieferbeziehungen. Eigentlich wollten wir mehr auf stationären Flächen verkaufen und vom Kundenecho der sechs, acht wegen Corona ausgefallenen Messen profitieren. Stattdessen haben wir unser Online-Aktivitäten verstärkt, haben dafür Erklär-Videos gedreht und uns in digitale Ordersysteme eingearbeitet. Was bleibt: Wir haben viel dazugelernt.