27.06.22 – Biotextile Gefäßprothesen
Bananen-Effekt beschleunigt Wachstum textilbasierter Herzklappen
Biotextile Herzklappen, Lungenstents, Bandscheibenersatz: Der Materialmix aus körpereigenen Zellen auf patientenspezifischen textilen Gerüststrukturen soll Implantaten vielleicht noch in diesem Jahrzehnt den Einzug in die klinische Praxis ermöglichen. Prof. Dr. med Stefan Jockenhövel koordiniert in Aachen und Maastricht entsprechende BioTex- und Materialforschungsprojekte. Unser Korrespondent Hans-Werner Oertel traf sich mit dem Hybridexperten, der beruflich als Mediziner und Textilforscher ebenfalls auf zwei Beinen steht.
textile network: Sie haben mit ihren Teams für wissenschaftliche Schlagzeilen gesorgt.
Stefan Jockenhövel: Mit unserer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Advanced Science“ über das Implantatmonitoring für biohybride Gefäßprothesen ist uns das in der Tat gelungen, wenn man das Echo darauf als Maßstab nehmen will. In dem Aufsatz beschreiben wir aus Sicht der Medizin und Materialforschung einen erfolgversprechenden Ansatz zur Langzeitüberwachung von biohybriden Gefäßprothese. Mit unserer neuen Methodik lässt sich jetzt im MRT mitverfolgen, wie sich die lebendigen Implantate und deren zugrundeliegenden Materialsystem nach der Implantation verändern: Das textile Gerüst darin wird im lebenden Organismus teilweise abgebaut, während die körpereigenen Zellen gleichzeitig die Prothese zu einem lebendigen, körpereigenen Material aufbauen. Durch eine derartige Nachverfolgbarkeit von Prozessen, die später in klinischen Studien auch beim Patienten stattfinden sollen, haben wir in der Grundlagenforschung viel gelernt, zugleich aber auch ein Instrument geschaffen, das die Patientensicherheit solcher Implantate signifikant erhöht.
textile network: Mit anderen Worten: Bisherige Gefäßprothesen, ob nur aus Textil oder rein biologisch erzeugt sind nicht zuverlässig genug?
Stefan Jockenhövel: Untersuchungen zeigen, dass nach nur neun Monaten bereits 40 % der eingesetzten synthetischen Gefäßprothesen nicht mehr „offen“ sind bzw. der Gefäßquerschnitt signifikant verringert ist. Dadurch kommt es zu deutlichen Durchblutungproblemen. Auf der anderen Seite haben gezüchtete Gefäßprothesen aus ausschließlich körpereigenen Zellen eine fehlende dauerhafte Stabilität. Mit anderen Worten: Weder rein körpereigene tissue-engineerte noch rein synthetische Gefäßprothesen lösen das klinische Problem. Dagegen konnten wir bei unseren biohybriden Implantaten in allen Tierversuchen mit Schafen beobachten, dass diese Gefäße über die Zeit offen geblieben sind, während die herkömmlichen oft deutliche Verengungen gezeigt haben. Wir gehen davon aus – und das werden die jetzt folgenden klinischen Studien erhofft auch zeigen –, dass wir auf jeden Fall besser sein werden als das weltweit heute möglich ist.
textile network: Können Sie das sicherlich komplizierte Wirkprinzip dahinter nochmals veranschaulichen?
Stefan Jockenhövel: Mit unserem Wissen um Medizin und Textilien sind wir dem Geheimnis vom langen, beschwerdefreien Leben dicht auf der Spur. Übersetzt auf unsere Methodik bedeutet das, dass wir abstoßungsfreie Implantate aus körpereigenen Zellen mit einer textilen Verstärkung generieren. Unsere Prämisse dabei war es, einen Kompromiss zwischen rein technischen und biologischen Materialien mit hoher Produzierbarkeit bzw. Reproduzierbarkeit und gleichzeitig optimaler biologischer Performance zu schaffen, deswegen biohybrid. Unser Mantra: So viel technische Matrix wie möglich, so viel biologische Komponente wie nötig.
textile network: Was waren dabei die Herausforderungen?
Stefan Jockenhövel: Wir hatten mit dem großen Traum begonnen, abstoßungsfreie und mitwachsende Implantate ausschließlich aus körpereigen Zellen entwickeln zu können. Doch das Zellwachstum folgt nicht einfach so unseren Regeln.
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