30.08.23 – Gastbeitrag

Fördergelder erleichtern die Entwicklung technischer Textilien

Mit Bekleidungstextilien können deutsche Unternehmen in den seltensten Fällen noch punkten. Die Produktion ist nach Fernost abgewandert. Was die 135.000 Mitarbeiter in den meist kleinen und mittelständischen Betrieben beschäftigt, sind vor allem High-Tech-Textilien, die vorwiegend im Leichtbau, der Gesundheits- oder Automobilbranche eingesetzt werden.

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Textilien automatisch mit Elektronikkomponenten zu bestücken – darum geht es im aktuellen Projekt. © Ettlin

 
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© Ettlin Richard Müller

 

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz spricht von vielen Hidden Champions, die mit hochinnovativen Spezialprodukten führend auf den weltweiten Märkten sind. Beispiel dafür ist Ettlin Textiles – einerseits arbeitet der Mittelständler mit Forschungsinstituten zusammen, um neue Produkte zu entwickeln, andererseits mit einem Förderungsdienstleister, um die kostenintensiven Entwicklungen zu abzusichern.

Durchschnittlich setzt Richard Müller bei der badischen Ettlin Smart Textiles alle zwei Jahre ein größeres Einwicklungsprojekt auf, für das sich ein Antrag beim Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) zu stellen lohnt. Der promovierte Maschinenbauer mit Schwerpunkt Textiltechnik kam 2017 als Entwicklungsleiter nach Ettlingen. „Letztlich ist es für die Geschäftsführung immer eine schwierige Entscheidung, in neue Produkte zu investieren“, sagt der 35-Jährige, denn wie der Markt die Innovation annimmt, ist eben unvorhersehbar. Eine staatliche Finanzförderung reduziert die technischen und betriebswirtschaftlichen Risiken.

Und dafür hat Ettlin seit knapp zehn Jahren den Förder-Versteher Partner für Innovation und Förderung (PFIF) als Spezialist an Bord. Denn neben Entwicklungspartnerschaften mit Kunden, die gezielt deren Probleme lösen, verfolgt das Unternehmen eine strategische Entwicklungsplanung, die den Märkten vorwegläuft. Vierteljährlich ist Sven Hoogen als PFIF-Berater mit bei den Projektmeetings dabei. Als Maschinenbauer bringt er technisches Grundverständnis mit und hat sich in den vergangenen Jahren in die Textilbranche eingearbeitet, egal, ob es um Webmaschinen oder textile Elektronik geht.

Letztlich liefert Müller in Stichpunkten die fachlichen Inhalte sowie Bilder, aus denen dann Hoogen einen Projektantrag formuliert. Der geht noch zwei-, dreimal hin und her, bis er punktgenau zu einem der rund 100 Fördertöpfe von Land, Bund und EU passt. „Das ist ein Riesenbrocken, um den wir uns nicht kümmern müssen“, erzählt Müller, zumal die Recherche nach den geeigneten Fördertöpfen, das Verstehen des Bürokratendeutsches und die Formulierung der Anträge eine eigene Wissenschaft sei.

Rund 200.000 Euro bekam Ettlin während der Coronajahre für das Projekt Skylight. Vor allem moderne Bürogebäude oder Produktionshallen verfügen über große Glasflächen. Die heizen sich bei Sonneneinstrahlung auf – im Winter ein angenehmer Effekt, um Heizkosten zu sparen, muss im Sommer viel Energie zum Kühlen eingesetzt werden. Mit klassischen Rollos oder Lamellen vor den Fenstern sitzen die Angestellten schnell im Dämmrigen, was müde macht und die Arbeitsenergie sinken lässt. Das Textilunternehmen hat ein semi-transparentes Abschattungsgewebe entwickelt, das ausreichend Sonnenschutz und auch Sichtschutz von außen bietet sowie gleichzeitig die Sicht nach außen ermöglicht. Je nach Lage des Gebäudes kann Ettlin angepasste Lösungen bieten – für Dachfenster, Süd-, Ost- oder Westfenster. „Mit Skylight können Neubauten ausgerüstet, aber auch Fenster von Altbauten können nachgerüstet werden“, so Müller. „Damit leistet das Produkt einen Beitrag zum Energiesparen und für eine angenehmere Arbeits- und Lebensatmosphäre.“

Beim aktuellen Projekt geht es darum, Textilien automatisch mit Elektronikkomponenten zu bestücken – bisher ist der Fertigungsaufwand durch manuelle Arbeiten enorm hoch. Die Innovation besteht in einer Kombination von Sticken, Weben und einer neuartigen Zuführvorrichtung für LED-Module. Aufgrund der vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten erwartet Richard Müller ein großes Kundeninteresse. Etwa für Theater, Events oder Messen, denn es lassen sich mit dem textilen Display auch gekrümmte Flächen bestücken, zudem ist der „Bildschirm“ wiederverwendbar, transportabel und schnell auf- und abzubauen. Für das Projekt Autoplace erhielt das Unternehmen mit Unterstützung von PFIF knapp 200.000 Euro als Zuschuss.