05/04/2022 – Statement von Uwe Mazura

Deutsche Textil- und Bekleidungshersteller schlagen Alarm

Aus Sorge vor einem Gas-Lieferstopp durch Russland ruft Wirtschaftsminister Habeck die erste Stufe des Notfallplans Gas aus. Uwe Mazura äußert sich dazu in einem Statement.

Uwe-Mazura-textilmode.jpg

Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer Gesamtverband textil+mode, befürchtet, dass viele Unternehmen vor dem Aus stehen, wenn die Bundesregierung keine Gegenmaßnahmen ergreift. © Marco Jentsch

 

Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie Uwe Mazura erklärt:

„Wenn die Gasversorgung zusammenbricht, brechen wichtige Lieferketten, um lebensnotwendige Güter für den Medizinbetrieb, den Katastrophenschutz, die Bundeswehr, die Polizei, den Arbeitsschutz, für den Bau von Windrädern oder die Versorgung mit sauberem Wasser herzustellen. Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie appelliert deshalb an Bundesminister Habeck, alles zu unternehmen, um die Gasversorgung in Deutschland weiterhin sicherzustellen.

Wir halten das System am Laufen – Drei Forderungen für eine sichere Versorgung in Deutschland!

1. Lebenswichtige Lieferketten aufrechterhalten!

Es ist eine zutiefst akademische Diskussion, ob wir uns ein Gasembargo in Deutschland volkswirtschaftlich leisten können. Allein in unserer Branche könnte ein solcher Schritt das Aus für Hunderte von Betrieben bedeuten und damit den Stopp der Produktion von lebensrettenden Produkten, wie Medizintextilen, Zelte, Planen, den Bau von Biogasanlagen, Spezialschuhen und Berufsbekleidung, Schutzkleidung für Bundeswehr und Polizei. Textil steckt auch in Feuerwehrschläuchen, Airbags, Dichtungen, Filter zur Reinigung von Luft und Wasser, Matratzen, Windeln, Hygieneartikeln aller Art. Auch die Reinigung von Krankenhauswäsche benötigt Energie und ist nachhaltig. Feuerfeste Garne gehen in die Auto- und Flugzeugproduktion. Allein die Beispiele aus unserer Branche zeigen: Ein Stopp der Gasversorgung wird dramatische Folgen für lebensnotwendige Lieferketten in Deutschland haben, die auf Jahre hinaus in eine industrielle Mangelwirtschaft führen.

2. Bekenntnis der Bundesregierung zum industriellen Mittelstand!

Schon vor der Invasion Russlands in der Ukraine war die mittelständische Industrie Energiepreisen ausgesetzt, unter deren Last immer mehr Unternehmen nicht mehr produzieren können. Wie kann es sein, dass es für viele Unternehmen mit vollen Auftragsbüchern nicht mehr rentabel ist, die Maschinen anzustellen? Alle eindringlichen Warnungen der mittelständischen Industrie und ihre Vorschläge für eine wettbewerbsfähige Energiepreisgestaltung wurden weitgehend in den Wind geschlagen. Das ist umso bitterer, als sich die mittelständische Industrie klar zum Klimaschutz bekennt und mit ihren Innovationen und Produkten einen wesentlichen Beitrag hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft leisten will. Bis es so weit ist, müssen die Energiepreise für unsere Industrie aber auch bezahlbar sein. Wir brauchen ausreichend erneuerbare Energie zu bezahlbaren Preisen.

Im Moment haben die Unternehmen aber keine Alternative zu fossilen Brennstoffen. Es gibt keinen grünen Wasserstoff, Wind und Sonne liefern nicht ausreichend grünen Strom. In den energieintensiven Produktionsprozessen bleibt nur der Weg über Gas als Brückentechnologie, damit die Maschinen in Deutschland laufen. Wir fordern deshalb ein klares Bekenntnis der Ampel-Koalition zur mittelständischen Industrie in Deutschland und ihrer unverzichtbaren Funktion für die wirtschaftliche Transformation in unserem Land. Diesem Bekenntnis müssen jetzt aber auch Taten folgen.

3. Energieentlastungspaket für die Wirtschaft

Ja, es ist richtig, die Bürgerinnen und Bürger angesichts der explodierenden Energiepreise zu entlasten. Viele davon sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in mittelständischen Industriebetrieben; allein 1 Mio. Beschäftigte arbeiten in 10.000 Unternehmen, die sich im Bündnis Faire Energiewende, einem Zusammenschluss von Branchen der mittelständischen Industrie, zusammengetan haben. Um es klar zu sagen: Diese Arbeitsplätze sind in Gefahr! Viele Unternehmen sind durch die wirtschaftlichen Folgen der vergangenen zwei Corona-Jahre am Anschlag und durch die Zuspitzung der energiepolitischen Lage durch den Ukraine-Krieg in ihrer Existenz bedroht.

Ein Viertel der Unternehmen der deutschen Textil- und Modeindustrie geben in einer aktuellen Umfrage des Gesamtverbandes textil+mode an, dass Sie sich in ihrer Existenz bedroht sehen!

Deshalb helfen Kreditprogramme der KfW nicht mehr weiter. Unsere Unternehmen brauchen jetzt direkte Zuschüsse und Garantien, um die Schocks auf dem Energie- und Rohstoffsektor abzuwettern. Vor allem aber müssen die allein vom deutschen Gesetzgeber beschlossenen nationalen Zusatzbelastungen auf Energie ausgesetzt werden: Die Gas- und Strompreise werden in Deutschland durch Abgaben, Umlagen und Steuern erheblich verteuert und sind dadurch bereits seit langer Zeit nicht mehr international wettbewerbsfähig!

Angesichts der aktuellen Dramatik sollten alle staatlichen Belastungen der Energiepreise mindestens bis Ende 2022 vollständig ausgesetzt werden. Zudem sollte zumindest ein Teil der Netznutzungsentgelte aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Die Turbulenzen an den Energiemärkten in Europa führen dazu, dass Unternehmen die Planbarkeit ihrer Energiekosten fehlt und das Preisniveau nicht mehr tragbar ist. Deshalb muss dringend ein fixer Industriestrom- und -gaspreis eingeführt werden.

Die Bundesregierung muss jetzt alle Spielräume nutzen, die ihr der neue Krisenrahmen der EU für Beihilfen gibt!“