24/12/2021 – Drei Fragen an Andreas Fellenz
Innovative ökologische Lösungen dringend benötigt!
Den Fokus „Bekleidung/Mode“ hatten Andreas Fellenz und Yvonne Heinen-Foudeh als Themenspektrum für ein Tête-à-Tête über die drängendsten Fragen entlang der gesamten textilen Lieferkette bis hin zum Endprodukt verabredet.
Hier ist die Essenz des Austauschs zwischen dem europäischen Vertriebsleiter von Freudenberg Performance Materials und der textile network-Korrespondentin Yvonne Heinen-Foudeh.
textile network: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Trends, die die nahe und fernere Zukunft der Mode beeinflussen – im Design, in der Herstellung und anderswo – und woran arbeitet Freudenberg in letzter Zeit, das Ihrer Meinung nach sinnbildlich für die Entwicklung der gesamten Branche ist?
Andreas Fellenz: Insgesamt sehen wir drei sehr wichtige Trends: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und ein Umdenken in der globalen Lieferkette.
Innerhalb der Digitalisierung sind die wichtigsten Bereiche, erstens die Verlagerung vom Einzelhandel hin zum hybriden oder reinen Online-Geschäft, zweitens Effizienzsteigerungen entlang der Wertschöpfungskette und drittens die Kommunikation mit Kunden und Verbrauchern. Wir unterstützen unsere Kunden bei der Digitalisierung ihrer Geschäfte, indem wir die richtigen Daten bereitstellen und die Bemühungen der Branche (z. B. das Global Textile Scheme) bei der Entwicklung eines entsprechenden Standards unterstützen. Darüber hinaus testen wir derzeit einen B2B-Webshop und haben im Oktober 2021, unseren neuen Online-Showroom gestartet, in dem wir unter anderem unsere Lösungen in Bezug auf Nachhaltigkeit vorstellen.
Nachhaltigkeit entwickelt sich von einem „Nice-to-have“ zu einem „Must-have“ für alle Akteure in der Textilindustrie. In Anbetracht des breiten Spektrums dieses Themas werden wir zahlreiche Anstrengungen vieler Unternehmen erleben, und der Druck des Marktes wird dazu beitragen, dass sich herausstellt, was Green Washing ist und was einen echten Beitrag zu einer besseren Umwelt darstellt. Bei Freudenberg konzentrieren wir uns bei unseren Produktinnovationen auf dieses Thema und sind fest entschlossen, einen massiven Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Unser gesamtes Programm geht weit über die reine Produktentwicklung hinaus und ist in unserem „Haus der Nachhaltigkeit“ (House of Sustainability) ein wichtiger Bestandteil.
Was die globale Lieferkette betrifft, so werden wir in Zukunft einige bedeutende Veränderungen erleben, um die Prozesse und die Leistung der Supply Chain zu stabilisieren. Viele Hersteller werden, wo immer möglich, von Single Sourcing auf zumindest Dual Sourcing umsteigen. Wir werden auch eine starke Verlagerung der Produktion von Asien zurück nach Europa beobachten (insbesondere in die Türkei, aber auch nach Osteuropa, Nordafrika und Portugal). Dieser Trend wird derzeit vor allem von Fast-Fashion-Herstellern vorangetrieben.
textile network: Angesichts von Überproduktion, Umweltschädigung, Abfall-Verursachung und Ressourcen-Verschwendung wird der Ruf an die Modebranche, sich neu zu erfinden, deutlich lauter. Angesichts der immensen Volumina ist wahrscheinlich die Wiederverwendung von Textilrohstoffen die einzig denkbare sinnvolle Lösung. Eine Herstellerabgabe zur Finanzierung einer verbesserten Sammlung und des Recyclings von Kleidung steht auf der Tagesordnung. Was erachten Sie als ein realistisches Szenario in Bezug auf die Ziele, und wie lange wird es aus Ihrer Sicht dauern, bis Bekleidungs-Recycling auf eine breite Basis im Sinne der Nachhaltigkeit gestellt ist?
Andreas Fellenz: Abfall ist ein großes Thema in der Textilindustrie, und wir wissen, dass die Produkte unserer Kunden umso nachhaltiger sein können, je nachhaltiger wir unsere eigenen Produkte herstellen. Freudenberg stellt heute mehr als 500 verschiedene Einlagestoffe und Wärmedämmstoffe aus recycelten Fasern her, wodurch jedes Jahr etwa 45 Mio. PET-Flaschen von der Mülldeponie ferngehalten werden und unsere Kunden eine große Auswahl an nachhaltigen Optionen haben. Darüber hinaus haben wir erhebliche Ressourcen in die Entwicklung von Einlagestoffen gesteckt, die dazu beitragen, die Lebensdauer von Kleidungsstücken zu verlängern.
Neben einem geringeren Verbrauch, mehr Recycling und der Erhöhung der Qualität von Kleidungsstücken, damit diese länger getragen werden können, sind innovative ökologische Lösungen für das Ende des Lebenszyklus von Kleidungsstücken dringend erforderlich. Freudenberg ist Vorreiter auf diesem Gebiet und hat im Jahr 2020 mit comfortemp TencelTM die weltweit erste zu 100 % biologisch abbaubare Wattierung auf den Markt gebracht. Sie ist innerhalb von 57 Tagen vollständig biologisch abbaubar, ohne den Boden zu belasten. Null Abfall schnellstmöglich – das Ziel ist klar.
textile network: Die EU plant, bis 2025 Haushaltssammlungen von Textilien einzuführen. Derzeit gibt es noch keine klare Vorstellung davon, was mit diesen Textilien nach der Sammlung geschehen soll. Es gibt zahlreiche Beispiele für die mechanische Aufbereitung zur Rückgewinnung von Fasern, die dann zu neuen Produkten verarbeitet werden können – wie Filze zur Schalldämmung und Isolierung. Es gibt auch erste Beispiele für kommerzielle Kleidungsstücke, die ganz oder teilweise aus recycelten Fasern bestehen. Welchen nützlichen Beitrag können Weltmarktführer wie Sie, die Organisation, die Sie vertreten, leisten, um auch in dieser Hinsicht einen Wandel herbeizuführen?
Andreas Fellenz: Danke für die Frage, mit der Sie einen weiteren wichtigen Aspekt in Sachen Nachhaltigkeit ansprechen: die Rückverfolgbarkeit und Transparenz der gesamten Herstellungskette. Alle Komponenten müssen ressourcen-effizient produziert werden und entweder abbaubar oder wiederverwendbar sein. Darüber hinaus unterstützen wir den Global Recycling Standard und sind vollständig GRS-zertifiziert. Dies untermauert unsere Nachhaltigkeitsstrategie, unsere langfristigen Ziele der Abfallreduzierung in der Bekleidungsindustrie und das Engagement für die Kreislaufwirtschaft. Seitens Freudenberg bieten wir auch Produkte an, die es einigen unserer Kunden ermöglichen, Produkte zu produzieren und anzubieten, die den Cradle-to-Cradle-Standard erfüllen.
Neben dem Fokus auf Produkte umfassen unsere Bemühungen auch die Überwachung des Energieverbrauchs in der Produktion, die Überprüfung der Energieeffizienz, die kontinuierliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes und die Rückgewinnung von Abfällen als Rohstoff, um nur einige Beispiele zu nennen. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, der Konzentration, Ausdauer und ein starkes Engagement aller Beteiligten – einschließlich der Kunden – erfordert. Der konsequente Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist eine Reise – und es gibt keine einzelne Strategie, die für alle Unternehmen funktioniert. Letztendlich wird die Summe vieler Verbesserungen und Initiativen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein Unternehmen und seine Produkte nachhaltiger machen und zu einer umweltfreundlicheren Textilindustrie insgesamt beitragen müssen.
textile network: Herr Fellenz, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen für textile network stellte Yvonne Heinen-Foudeh.