18/05/2020 – Rostocker Umland wird zum Hersteller-Hotspot für MNS-Masken
Adcada-Gruppe investiert während Corona-Krise 4 Mio. Euro für Produktionsstart
Mecklenburg-Vorpommern hat am Standort Rostock seit Wochenanfang eine textile Kompetenz mit Ausstrahlung weit über Deutschland hinaus.
Mit erst vor wenigen Tagen aus China eingetroffener Technik produziert die junge Adcada.healthcare GmbH in Kürze auf 1.200 qm in einer neuen Halle vor den Toren der Hansestadt Rostock im Gewerbegebiet Bentwisch monatlich 12 Mio. Masken, arbeitstäglich in drei Schichten rund 400.000 Stück. Dafür hat die 2015 von Benjamin Kühn gegründete Adcada-Gruppe 4 Mio. Euro investiert.
Produktionsautomaten, UV-Sterilisierer, Verpackungstechnik und Meltblown-Vlies
An Bord der Chartermaschine aus dem nordchinesischen Nanjing am Freitagabend, einer russischen IL 76: Produktionsautomaten, mehrere UV-Sterilisierer, Verpackungstechnik sowie das in Europa rare Meltblown-Vlies als eine Voraussetzung für die Filterwirkung von Masken. Mit diesem Grundstock an Technik produzieren 20 neue Mitarbeiter künftig zunächst dreilagige Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS), nach abgeschlossener Zertifizierung kommen ab Juli Masken des Standards N95 bzw. FFP2 dazu. Damit wird Rostock im wahrsten Wortsinn über Nacht zu einem neuen Masken-Hotspot in Deutschland, den Insider kaum auf dem Plan gehabt haben dürften.
Gigantischer Bedarf an Mund-Nasen-Masken
Der weltweite Bedarf an Mund-Nase-Masken als Teil der persönlichen Schutzausrüstung für Beruf und Freizeit ist gigantisch; seit dem Hochschnellen der Infektionszahlen infolge Covid-19 nimmt der „Run“ samt Preisrangelei auf den Gesichtsschutz von Woche zu Woche krassere Formen an. Der Bund geht davon aus, dass allein das Gesundheitswesen einen Jahresbedarf von 450 Mio. FFP2-Masken und 1 Mrd. OP-Masken hat. Zudem besitzt inzwischen fast jeder in Deutschland mehrere Stoffmasken, ohne die beispielsweise Nahverkehr, Schule oder Einkauf kaum noch möglich wären.
„Made in Germany“ ist auch bei Masken machbar
Die bisher größte Technikinvestition der Adcada-Gruppe beruht auf dem unternehmerischen Gespür von Benjamin Kühn, der den Schutzmasken-Bedarf von Großkunden weit über Deutschland hinaus zu attraktiven Stückpreisen decken will. Schon während sich in Ischgl und Norditalien die erste Corona-Ansteckungsketten aufbauten, hatte sich der 23-Jährige bei den chinesischen Maschinenherstellern die notwendige Technik zum Start seiner „made in Germany“-Produktion gesichert. Angeregt unter anderem durch seine Mutter und Bekannte, die in der Pflege arbeiten und den Masken-Notstand geschildert hatten, stellte sich Kühn der Frage: „Es muss doch Mittel und Wege geben, eine Maskenproduktion in Deutschland aufzubauen, zumal wir mit unserer Tochterfirma Adcada.fashion über die Expertise in der Textilproduktion verfügen?“
Langfristiger Beitrag zum globalen Versorgungsnetzwerk
Weil er einen Beitrag zur langfristigen Versorgungssicherheit leisten wolle und mehrere Covid-Wellen für nicht ausgeschlossen halte, werde noch in diesem Jahr eine neue Halle gebaut und der Maschinenpark erweitert, kündigte der Jungunternehmer an. Dann können monatlich 20 Mio. dreilagige MSN-Masken und 4 Mio. FFP2/KN95-Masken produziert werden. Großabnehmer ab 10.000 Masken zum Stückpreis zwischen 34 und 59 Cent sind Kliniken, Behörden, Unternehmen und Pflegeeinrichtungen;
Bereits 6 Mio. Masken sind verkauft
6 Mio. Masken sind laut Kühn bereits verkauft; die Produktion bis Oktober sei mit Aufträgen ausgelastet. „Weil die Nachfrage weiterhin so hoch ist, haben wir bereits weitere Maschinen gekauft“, berichtet Kühn. Das auf sechs Mitarbeiter aufgestockte Vertriebsteam verhandele inzwischen auch mit potenziellen Kunden jenseits der deutschen Grenzen. Weil auch die soziale Kompetenz der Rostocker Firrmengruppe rund um Handel, Immobilien, Finanzen, Marketing, Produktion und Gastronomie zum Gründungskodex gehört, spendet der Maskenhersteller ein Jahr lang 12 Prozent der Produktion an öffentliche Einrichtungen und gemeinnützige Institutionen auch außerhalb Deutschlands. Wer am entsprechenden elektronischen Losverfahren teilnehmen will, kann sich hier über die Firmenwebseite bewerben.
Textil jetzt in Hansestadt innovativ verankert
Auf der Branchenlandkarte von Mecklenburg-Vorpommern hat die Textilindustrie nur wenige Einträge; es finden sich neben Unternehmen aus der Textilpflege nur wenige kleine Nähereien und Konfektionsfirmen. Standorte für Maritimtextilien sind etwa Rostock, Ribnitz-Damgarten und Schwerin, Berufsbekleidung kommt aus Schwerin; in Sassnitz werden Fahnen genäht. Die größte Textilfirma der Region ist der Bettwarenhersteller Antex in Anklam mit täglich bis zu 25.000 Erzeugnissen. Das für Deutschland typische Wachstumsfeld technische Textilien ist lediglich mit Planen-Manufakturen in Rostock und Neuendorf vertreten.
Vor diesem Hintergrund heben sich die stark auf Digitalisierung und Zukunftsmärkte setzenden textilen Aktivitäten der in Rostock ansässigen Adcada-Gruppe ab. So etablierte Benjamin Kühn in seinen Mode-Shops der Zukunft mit dem Fashion.Zone Mirror eine digitale Umkleidekabine, die in Europa ihresgleichen sucht. Wer sie betritt, muss sich nicht mehr beim Ausprobieren der verschiedenen Outfits an- und ausziehen. Möglich wird die Anprobe in den beiden Stores in Rostock durch den Einsatz von Spiegel- und Kameratechnik. Beim Shopping 2.0 wird – ohne die Bekleidung wechseln zu müssen – die gewünschte Kleidung visuell auf den Körper transferiert.
Und nun kommt also die Großproduktion von monatlich 12 Mio. Mund-Nase-Masken dazu. Benjamin Kühn sieht dieses Mammutprojekt als langfristige Investition seiner Unternehmensgruppe. Der Bedarf nach Schutzkleidung, ist er überzeugt, wird auch nach der Corona-Krise hoch bleiben!
Zum Video über die Landung und Entladung der Fracht aus Nanjing geht es hier.