12.11.19 – Halogenfreie und umweltfreundliche Flammschutzausrüstung

DTNW erforscht Alternativen

Am DTNW werden neue umweltfreundliche und halogenfreie Flammschutzmittel auf der Basis von Phosphor- und Stickstoffverbindungen entwickelt.

DTNW-Flammschutzmittel.jpg

Übersicht der am DTNW etablierten Flammschutzmittel © DTNW

 
DTNW.jpg

Flammtests an Baumwolle mit und ohne Flammschutzausrüstung © DTNW

 
Alle Bilder anzeigen

Im Zuge von REACH wurden gängige hocheffektive halogenierte Flammschutzmittel verboten, da diese unter dem Verdacht stehen kanzerogen, mutagen und teratogen zu sein. Zur Zeit fehlen entsprechende Alternativen.

Am DTNW wurden unterschiedliche Strategien für eine halogenfreie Flammschutzausrüstung entwickelt. Die Strategien basieren auf der Ausrüstung mit Vinylphosphonsäure, auf Basis von Sol-Gelen sowie Poly- bzw. Cyclophosphazenen. Derzeit laufen zwei IGF-Forschungsprojekte zur Entwicklung von Flammschutzausrüstungen auf der Basis der Sol-Gel-Ausrüstung mit stickstoff-phosphorhaltigen Silanen und zur Entwicklung von wasserlöslichen Cyclophosphazenen als Flammschutzausrüstung.

Notwendigkeit von Flammschutzausrüstungen

Die Ausrüstung von textilen Materialien mit Flammschutzmitteln rettet jährlich vielen Tausend Menschen das Leben. Weltweit sterben jährlich mehr als 300.000 Menschen bei Brandereignissen, und die Überlebenden leiden oftmals ihr Leben lang an den Folgen wie schweren Verbrennungen und Entstellungen.

In Europa sterben jährlich ca. 25.000 Menschen bei etwa 2.5 Mio. Bränden. 80 Prozent der Todesfälle erfolgen bei Wohnungsbränden, wobei in ca. 50 Prozent der Fälle textiles Material und textilüberzogene Polstermöbel die Brandursache darstellen.

Moderne Designtrends setzen immer mehr auf die Verwendung leichter, funktioneller Materialien, die von Natur aus leicht entflammbar sind und daher vor ihrer Verwendung flammfest ausgerüstet werden müssen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Verwendung von Flammschutzausrüstungen ist für die KMUs dabei offensichtlich: Ein fehlender Flammschutz ist ein Ausschlusskriterium; ein nicht flammfest ausgerüstetes Halbzeug oder Produkt ist für den Hersteller unverkäuflich.

Neue umweltfreundliche Flammschutzausrüstungen

Unterschiedliche Ansätze für umweltfreundliche und halogenfreie Flammschutzausrüstungen wurden am DTNW entwickelt. Die ersten Erfolge konnten dabei mit Vinylphosphonsäure erzielt werden. Die UV-induzierte Ausrüstung erfolgte dabei aus ethanolischer Lösung in Gegenwart eines Photo-Crosslinkers. Dabei wurde für Baumwolle, Polyester und Polyamid Flammschutzausrüstung erreicht, die auch nach mehreren Wäschen den Flammtest nach DIN EN ISO 15025 (Arbeitschutzkleidung) besteht.

Der Nachteil dieser Ausrüstung liegt jedoch darin, dass Auflagen von bis zu 30 Gew.-Prozent benötigt werden, um einen Flammschutz zu realisieren. Das Projekt zeigte, dass die Ausrüstung mit Phosphor-Stickstoff-haltigen Verbindungen prinzipiell geeignet ist, textile Flammschutzausrüstungen zu realisieren. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden zwei neuartige Ansätze am DTNW verfolgt, zum einen Flammschutzausrüstugen auf Sol-Gel-Basis zum anderen Phosphazen-basierte.

Sol-Gel-basierte Flammschutzausrüstungen

Ein Precursor wie das Tetraethoxysilan (TEOS) wird unter definierten Bedingungen hydrolysiert, wobei die gebildeten Silanol-Spezies zur Ausbildung von SiO2-Nanopartikeln bzw. -clustern neigen. Ein solches Sol kann bereits ohne weiteres auf ein Textil appliziert werden. Durch anschließende thermische Behandlung/Trocknung kommt es zur Aggregation und Kondensation der Partikel bzw. Cluster und nach vollständiger Trocknung bildet sich ein rein anorganisches Netzwerk (Xerogel) aus.

Im Rahmen des IGF-Forschungsvorhaben „Sol-Gel-basierte Flammschutzausrüstung“ (17459 N) wurde dargelegt, dass die Zugabe phosphorhaltiger Verbindungen wie Phosphor- oder Phosphonsäuren als Additive zu den Sol-Gel-Systemen nur sehr bedingt möglich ist. Der Sol-Gel-Prozess wird durch diese Additive stark beeinträchtigt, wobei die Sole sehr schnell zum Gelieren neigen und eine Applikation auf Textilien praktisch unmöglich wird.

Ein guter Flammschutz nach DIN EN ISO 15025 konnte über eine Zwei-Schicht-Applikation erreicht werden. Im ersten Schritt wurde ein Amino-basiertes Sol aufgebracht und im zweiten Schritt wurden Phosphor- oder Phosphonsäurenderivate appliziert. Ein synergetischer Effekt von Stickstoff und Phosphor konnte für die Flammschutzwirkung für diese Ausrüstung nachgewiesen werden, jedoch wurde keine Waschbeständigkeit erzielt.

Aus diesen Ergebnissen wurde gefolgert, dass Stickstoff und Phosphor kovalent an ein Silan (N-P-Silan) gebunden sein müssen, um einen guten Flammschutz mit Waschbeständigkeit zu erzielen. Diese Strategie wurde auch von Liu et al.10 für die Ausrüstung von Baumwolle mit einen N-P-Silan verfolgt, jedoch wurde eine 30 prozentige Auflage für eine erfolgreiche Flammschutzausrüstung benötigt, womit die textilen Eigenschaften verloren gehen.

„Neue stickstoff- und phosphormodifizierte Verbindungen für den permanenten Flammschutz von Textilien via Sol-Gel-Applikation”

Das IGF-Projekt „Neue stickstoff- und phosphormodifizierte Verbindungen für den permanenten Flammschutz von Textilien via Sol-Gel-Applikation” (19617 N) greift die Idee von kovalenten stickstoff- und phosphorhaltigen Silanen auf, um auf diesem Wege wasserbasierte permanente Flammschutzausrüstungen mit Auflagen im Bereich von 5 bis 10 Prozent zu realisieren. So konnte im Rahmen des genannten IGF-Projektes ein phosphor- und stickstoffhaltiges Silan (DOPO-basiert) synthetisiert werden, welches einen guten Flammschutz bei nur 10 bis 15-prozentiger Gewichtsauflage und eine vielversprechende Waschpermanenz zeigte. Mit Silan und ähnlichen Verbindungen konnten wasserbasierte Sol-Gel-Ausrüstungen realisiert werden, welche bereits unter 10 Gew.-Prozent Auflage einen guten Flammschutz garantieren, jedoch eine geringen Waschbeständigkeit aufweisen. Derzeit arbeitet das DTNW an einer Verbesserung der Permanenz dieser Verbindungen und dem Verständnis des Flammschutzmechanismus.

Poly/Cyclophosphazen-basierte Flammschutzmittel

Phosphazene stellen die umfangreichste Klasse anorganischer Makromoleküle dar. Diese kann man in zwei Gruppen einteilen, den Polyphosphazenen und den Cyclophosphazenen. Von beiden Verbindungsklassen sind über 300 verschiedene Spezies bekannt. Das wichtigste Strukturmerkmal besteht in den alternierenden P-N-Atomen. Im Fall der Polyphosphazene konnten Verbindung von 2–10 Mio g/mol bestehend aus 100–15.000 sich wiederholenden Monomereinheiten hergestellt werden. Cyclophosphazene bestehen aus einem 6-Ring mit alternierenden P-N-Atomen.

Polyphosphazene lassen sich aus Phosphorpentachlorid und Ammoniumchlorid synthetisieren oder auch aus Hexachlorcyclotriphosphazen. Dieses ist – wie auch andere verwandte ketten- und ringförmige niedermolekulare Phosphornitridchloridstrukturen – reaktionsfreudig im Hinblick auf Polymerisation, Hydrolyse, Aminolyse, Veresterung und Friedel-Crafts-Reaktion. Auf diesem Wege ist eine Vielzahl unterschiedlicher Poly- und Cyclophosphazene zugänglich.

„Permanente Flammschutzausrüstung von Textilien mit Polyphosphazenen“ (IGF-Nr. 16780 N)

Diese Verbindung eignet sich insbesondere für die permanente Flammschutzausrüstung von Baumwolle und Baumwoll/PET- bzw. Baumwoll/Polyamid-Mischgeweben mit Gewichtsauflagen von 8–20 Gew.-Prozent.

In beiden Fällen ist kein signifikanter Gewichtsverlust der Ausrüstung festzustellen und es tritt auch keine Verschlechterung der Flammschutzwirkung auf. Die Applikation dieser Flammschutzausrüstung muss jedoch aus organischen Lösemitteln erfolgen.

„Permanente Flammschutzausrüstung textiler Materialien mit wasserlöslichen Polyphosphazenen“ (IGF Nr. 18213 N)

Im Rahmen des IGF-Projektes „Permanente Flammschutzausrüstung textiler Materialien mit wasserlöslichen Polyphosphazenen“ (IGF Nr. 18213 N) konnten wasserlösliche Polyphosphazene synthetisiert werden, welche einen genauso guten permanenten Flammschutz ermöglicht. Jedoch mit Nachteil, dass diese aus einer salzsauren Lösung appliziert werden müssen, was zu einer Schädigung der Baumwolle führt. Des Weiteren neigen diese Verbindungen zum vergilben, wodurch der Einsatzbereich erheblich beeinträchtigt wird.

Der Vorteil von Cyclophosphazenen im Vergleich zum Polymer besteht in der deutlich vereinfachten Synthese. Die Ausbeuten bei der Synthese von Cyclophosphazenen liegen im Bereich von 85–95 Prozent, beim Polymer hingegen nur in der Größenordnung von max. 40 Prozent.

An dieser Stelle setzt das im Oktober 2017 gestartete IGF-Projekt „Cyclophosphazene als umweltfreundliche halogenfreie permanente Flammschutzausrüstung textiler Materialien“ (IGF-Nr. 19739 N) an, welches das Ziel hat, wasserlösliche Cyclophosphazene herzustellen. Bisher konnte ein wasserlösliches Cyclophosphazen mit Glycerinseitenketten synthetisiert werden, um in einem Färbeprozess auf Baumwolle permanent aufgebracht zu werden. Die ausgerüstete Baumwolle zeigt einen guten Flammschutz nach DIN EN ISO 15025 mit guter Waschbeständigkeit. Die momentanen Arbeiten zielen darauf, diese Verbindung auch auf Mischgeweben zu applizieren und Cyclophosphazene zu synthetisieren, welche sich auch zur Ausrüstung von PET und PA eignen.

Zusammenfassung

Die Arbeiten des DTNW zeigen, dass sowohl mit N-P-Silanen als auch mit Poly- und Cyclophosphazenen der Weg zu neuen halogenfreien und umweltfreundlichen Flammschutzausrüstungen offen steht. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass man mit N-P-Silanen bereits bei Auflagen von ca. 10 Gew.-Prozent einen guten permanenten Flammschutz auf unterschiedlichen Geweben erhält und es ist potentiell zu erkennen, dass die Auflage noch weiter reduziert werden kann. Für beide Klassen Flammschutzmitteln befinden wir uns in der Entwicklung von Systemen welche aus Wasser applizierbar sind und bei gleichzeitiger hoher Waschbeständigkeit. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass man sowohl Baumwolle als auch PET, PA und entsprechende Mischgewebe flammhemmende ausrüsten kann.

Danksagung

Den Mitgliedern der Projektbegleitenden Ausschüsse danken wir für die Bereitstellung von Mustern, Chemikalien, für die Durchführung von hauseigenen Flammprüfungen sowie für die konstruktive Diskussion der Projektergebnisse, die zum Gelingen der Forschungsvorhabens wesentlich beigetragen haben.

Die Forschungsvorhaben IGF-Nr. 16780 N, 17459 N, 18213 N, 19617 N und 19739 N der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V., Reinhardtstraße 12-14, 10117 Berlin, wurden über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

von Thomas Mayer-Gall (1,3), Klaus Opwis (1), Minh Hung Phan (1,2), Walid Kousa (1,2), Wael Ali (1,3), Torsten Textor (4), Jochen S. Gutmann (1,3)

 

1 Deutsches Textilforschungszentrum Nord-West gGmbH, Adlerstr. 1, D-47798 Krefeld

2 Faculty of Communication and Environment, Rhine-Waal University of Applied Science, D-47475 Kamp-Lintfort

3 Department of Chemistry and Center for Nanointegration Duisburg-Essen (CENIDE), University Duisburg-Essen, D-45141 Essen

4 Hochschule Reutlingen, Oberflächenfunktionalisierung und Beschichtung interaktiver Materialien, Alteburgstr. 150, 72762 Reutlingen

Weitere Artikel zu: