04.12.19 – Lückenschluss statt „Tal des Todes“ — read English version
Blick nach Rudolstadt: OMPG
Die meisten der 16 deutschen Textilforschungsinstitute haben bereits vor Jahren Forschungs- und Produktionsunternehmen gegründet. Ein Blick nach Rudolstadt.
Das Tochterunternehmen des Thüringischen Instituts für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK) hat mit Ostthüringische Materialprüfgesellschaft für Textil- und Kunststoffe einen nicht minder langen Namen und heißt daher kurz einfach nur OMPG.
OMPG-Tochter smartpolymer
Der erste US-Messeauftritt der OMPG-Tochter smartpolymer in Atlanta 2018 auf der Techtextil North America war dank Weltneuheiten in Produkt und Verfahren ein voller Erfolg. Geschäftsführer Christoph Löning war mit einem halben Dutzend Mitarbeiter angereist. Im Vorfeld kühn, doch als die Besucher auf den Stand strömten als ziemlich weitsichtig anzuerkennen. Im Zentrum des Interesses: das hitzebeständige smartMelamine-Meltblown-Vlies. Dazu war erst kurz vor Atlanta in Slowenien die Produktion für erste Erzeugnisse aus diesem brandschutzhemmenden und patentierten Material gestartet worden. Warum Slowenien? Hier hat die TITK-Gruppe gemeinsam mit einem slowenischen Chemieproduzenten das Unternehmen smartMelamine gegründet. Das von TITK-Forschern und hauseigenen bzw. Industriepraktikern aus Österreich kreierte Vlies, das unter Hitzeeinwirkung weder brennt noch schmilzt, ist chemisch beständig, extrem leicht, stabil gegen UV-Licht und verfügt über exzellente Dämmeigenschaften. Das macht es zum idealen Stoff für die Produktion von Feuerschutzbekleidung sowie für Anwendungen im Brandschutz bzw. der Wärme- und Schalldämmung.
Die Nachfrage nach dem Vlies mit seiner einzigartigen Alleinstellung ist immens, folglich werden die Produktionskapazitäten in Koijevje in Richtung 1.000 bis 2.000 t Jahresproduktion weiter ausgebaut.
Benjamin Redlingshöfer, einer der beiden geschäftsführenden Direktoren des TITK und Mitgeschäftsführer bei smartpolymer:
„Wir reden nicht nur über Markttransfer, sondern können wichtige Forschungsergebnisse bei Bedarf auch selbst in Serienreife überführen. Damit schaffen wir Vertrauen bei unseren Kunden und beweisen unsere Kompetenz auch auf diesem Gebiet.“
Dafür gibt das Institut mit seiner einzigartigen Ausrichtung auf die Erforschung von Polymerwerkstoffen reichlich Input. So wurde im neuen 3D-Technikum gerade erst mit Blick auf eine dauerhaft haltbare Verschweißung von Textilien ein innovatives Polymer-Harzklebesystem entwickelt. Der Bikomponentenkleber mit unterschiedlichen Schmelzpunkten wird im 3D-Druck aufgetragen. Einsatz in den Bereichen Bahn, Luftfahrt und Filtermedien sind angedacht und vielleicht wird dafür ja gerade auch schon eine neue Tochterfirma konzipiert.
OMPG
Die bereits 1992 gegründete OMPG erweitert ständig ihr Ausrüstungsprofil zur Überwachung von Textilien, Faserverbundmaterialien und Kunststoffen – aktuell zur Prüfung antibakterieller Kunststoffe und Textilien sowie auf Biokompatibilitätstests mit Zellkulturen. OMPG ist dazu zertifiziert nach DIN EN ISO/IEC 17025.
Durch Daimler gab es nach Erweiterung der entsprechenden Laborkapazitäten für Prüfdienstleistungen von Kunststoffverarbeitern und Zulieferern der Automobilindustrie eine erfolgreiche Auditierung. Zu den von Stuttgart aus freigegebenen Methoden nach Klasse A zählen die Brand- und fast alle Emissionsprüfungen. Nach Teilnahme an einem groß angelegten Ringversuch konnte sich die OMPG wiederum erfolgreich für die notwendigen Emissionsprüfungen bei Volkswagen qualifizieren. Damit sind die Thüringer Materialprüfer befähigt, die komplette Palette der Emissionsprüfungen durchzuführen, darunter zu Fogging, der Emission organischer Verbindungen und zum Geruch in Fahrzeuginnenräumen.
Die OMPG arbeitet unter anderem mit dem in Bad Langensalza (Thüringen) ansässigen Forschungszentrum für Medizintechnik und Biotechnologie (fzmb) zusammen. Bei dem Projekt geht es um eine elektronische Nase – also Sensorik mit Künstlicher Intelligenz. Sie soll in der Fahrzeugproduktion dort eingesetzt werden, wo der Neuwagen-Geruch „komponiert“ wird. Bisher mussten die Emissionen der für das Interieur in Frage kommenden Materialien erschnüffelt werden. Doch menschliche Schnüffelnasen gehören wohl bald schon der Vergangenheit an.