08.07.25 – Jubiläum — read English version
Mayer & Cie. feiert 120 Jahre Textilmaschinen aus Albstadt
Am 8. Juli 2025 feiert Mayer & Cie., Hersteller von Rundstrickmaschinen und Flechtmaschinen, sein 120. Jubiläum. Das Unternehmen ist in vierter Generation inhabergeführt und hat sich auf Herstellung und Verkauf von Rundstrickmaschinen und Flechtmaschinen spezialisiert.
Immer wieder haben findige Entwickler von Mayer & Cie. für technische Meilensteine gesorgt. Heute sind digitale Lösungen wichtige Wegmarken: Eine Rundstrickmaschine soll nicht nur Produktionsdaten in eine Cloud liefern, sondern sich auch aus der Ferne warten lassen. Bei den Flechtmaschinen sind seit kurzem auch 48 Carrier erhältlich, für noch größere Schlauchdurchmesser.
„Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Jubiläum feiern dürfen“, sagt Benjamin Mayer, geschäftsführender Gesellschafter von Mayer & Cie. „120 Jahre Familienunternehmen sind keine Selbstverständlichkeit: Ein Blick in die Statistik zeigt, dass nur rund 12 Prozent aller Familienunternehmen drei Generationen überdauern – wir sind mit der vierten schon eine weiter“, so Mayer lächelnd. „Es zeigt, dass wir zuverlässig die Anforderungen des Marktes verstanden und diesen mit technologischen Innovationen begegnet sind.“ Nicht selten hat Mayer & Cie. mit diesen Neuerungen Standards in der Industrie gesetzt, beispielsweise der mit der elektronischen Mustersteuerung oder der Relativtechnik.
Krisengeplagter Textilmaschinenbau
Bei aller Freude über das Jubiläum werfen die aktuellen Rahmenbedingungen auch Schatten auf das Festjahr. Die Auftragslage bleibt angespannt im deutschen Textilmaschinenbau. Eine Trendwende ist, angesichts der verschiedenen Krisen weltweit, noch nicht in Sicht. „Wir haben seit 1905 schon viele Krisen erlebt und überstanden“, so Mayer. „Die, die wir heute zu meistern haben, ist mit Abstand die schwierigste.“
Deshalb plant das Unternehmen bis 2026 mit deutlich geringeren Volumina als bei Volllast. Zudem hat Mayer & Cie. seine laufenden Kosten deutlich gesenkt, die Belegschaft verzichtet auf Sonderzahlungen. Einen Ausblick für die Zukunft zu geben, bleibt für Benjamin Mayer schwer: „Wir sind als Unternehmen gut aufgestellt, haben Antworten auf die Bedürfnisse des Marktes und moderne Prozesse in der Produktion. Das haben wir auch von dritter Seite bestätigt bekommen. Wie sich aber die Welt- und mit ihr die Wirtschaftslage weiterentwickelt, kann niemand vorhersehen.“
Jüngstes Etappenziel: Rundstrickmaschinen ins Internet bringen
Den jüngsten Meilenstein des Unternehmens markiert eine neue Maschinensteuerung, die die Rundstrickmaschinen aus Albstadt-Tailfingen „IOT-ready“ macht. Das bedeutet, dass die Rundstrickmaschine technisch so ausgestattet ist, dass sie sich mit dem Internet of Things, kurz IOT verbinden und darin integriert werden kann. Mit der neuen Maschinensteuerung können Mayer & Cie.-Kunden weltweit auf knitlink zugreifen, eine digitale Plattform mit Apps rund um die Rundstrickmaschine.
Neu ist außerdem ein Tool zur optischen Produktionsüberwachung. Das ist sinnvoll, denn Fehler im Gestrick werden schnell teuer; schließlich produziert eine Rundstrickmaschine rund 2,5 Meter Stoff pro Minute.
Ein weiterer Fokus sind spezielle Upgrade-Kits. Damit können Mayer & Cie.-Kunden ihren Maschinenpark auf einem technisch aktuellen Niveau halten – ohne gleich neue Maschinen zu kaufen. „Das sorgt für Langlebigkeit und damit Nachhaltigkeit“, erläutert Benjamin Mayer. „Außerdem steigert das die Investitionssicherheit für unsere Kunden.“
Flechtmaschine mit 48 Carriern
Kurz vor Weihnachten 2024 hat Mayer & Cie. seine erste Flechtmaschine mit 48 Spulenträgern, im Fachjargon Carrier, ausgeliefert. Derzeit arbeitet das Unternehmen am zweiten Modell mit dieser Ausstattung. Die Kunden profitieren dabei von einem größeren Schlauchinnendurchmesser, kurzen Rüstzeiten und unverändert großem Spulvolumen. Das gilt sowohl bei der Verarbeitung von Garn wie von Draht. Eingesetzt werden Flechtmaschinen von Mayer & Cie. zur Herstellung von Armierungsgeflechten, beispielsweise von Hochdruckschläuchen, wie sie in der Industrie oder im Bergbau üblich sind.
Seit 2019 ist die Flechtmaschinenproduktion von Mayer & Cie. am Stammsitz des Unternehmens in Albstadt zuhause. Ein Grund für die Verlagerung – zwischen 1977 und 2019 hatte sich ein amerikanisches Tochterunternehmen der Flechtmaschinenproduktion gewidmet – waren die verbesserten Möglichkeiten für Forschung und Entwicklung. „Dieser Plan ist auf jeden Fall aufgegangen“, sagt Benjamin Mayer. „Mit unseren Neuentwicklungen können wir unseren Kunden ein Mehr an Produktivität bieten.“
Technologische Meilensteine
Innovationskraft und technischer Fortschritt prägen Mayer & Cie. nicht erst seit heute. Allerdings waren die Meilensteine in der Vergangenheit noch ausschließlich mechanischer Natur: Im Jahr 1938 bracht Mayer & Cie. seine erste eigenen Rundstrickmaschine – mit eigenen Patenten – auf den Markt. Zuvor hatte man sich auf den Bau von Rundwirkmaschinen, sogenannten Rundstühlen, konzentriert. Weil diese den Rundstrickmaschinen in Sachen Geschwindigkeit und Effizienz unterlegen waren, stellte Mayer & Cie. 1958 deren Herstellung komplett ein. Mitte der sechziger Jahre brachte das Unternehmen eine Maschine auf den Markt, die als „Liebling aller Stricker“ bekannt wurde: Eine sogenannte OVJA 36, mit neuartiger Mustersteuerung und für besonders feine Stoffe. Kunden nahmen Wartezeiten von bis zu drei Jahren in Kauf; eine Auftragsbestätigung wurde zum Spekulationsobjekt. Mit rund 7.000 verkauften Exemplaren verschaffte sie dem Textilmaschinenhersteller in der Branche Weltruhm.
An den Erfolg dieser Maschine sollten ab Ende der achtziger Jahre die Relanit-Maschinen von Mayer & Cie. anknüpfen. Dank einer neuen Stricktechnik produzierten diese Maschinen auch mit unterdurchschnittlichen Garnen eine gute Stoffqualität.
Für eine technische Revolution sorgte auch die elektronische Mustersteuerung; Mayer & Cie. stellte sie in den siebziger Jahren auf der Branchenleitmesse vor. Eine Musteranpassung auf der Maschine war nun per Knopfdruck möglich, während dafür bisher ein Tag Arbeit nötig gewesen war.
Vier Generationen Mayer
Die Geschichte von Mayer & Cie. ist auch eng verstrickt mit den Menschen, die für das Unternehmen Verantwortung übernommen haben. Johannes Mayer, Mitgründer der Vereinigten Mechanischen Werkstätten Mayer & Cie., war ein Tüftler und praktischer Macher mit Liebe zum Detail, der maßgeblich an der Entwicklung der ersten eigenen Rundstrickmaschinen ab 1935 beteiligt war. Zu seinem Tod im Jahr 1958 wurde er als „erster Diener seines Werkes“ geehrt.
Emil Mayer, sein Sohn, trat 1921 als Lehrling ins Unternehmen ein, trieb später als Ingenieur die Entwicklung eigener Rundstrickmaschinen voran und baute nach dem Zweiten Weltkrieg das Auslandsgeschäft auf. Für die Gründung einer Textilschule erhielt er posthum die Ehrenbürgerwürde von Tailfingen.
Sein Sohn Peter Mayer arbeitete ab 1961 im Familienunternehmen und übernahm 1971 dessen Leitung, später gemeinsam mit seinem Bruder Rainer. Er forcierte die Internationalisierung weiter, setzte früh auf Elektronik und prägte mit der Relanit-Maschine ab 1987 den Markt. 2003 zog er sich zurück.
Rainer Mayer stieg 1972 bei Mayer & Cie. ein und leitete das Unternehmen ab 1973 gemeinsam mit seinem Bruder Peter. Er setzte auf Diversifikation, baute das Geschäft mit IBM aus und führte das Unternehmen 2009 erfolgreich durch die Insolvenz.
Seit dem Tod von Rainer Mayer im Jahr 2015 verantwortet die vierte Generation die Geschicke des Unternehmens. Benjamin Mayer, Marcus Mayer und Sebastian Mayer teilen sich die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Unternehmensbereiche.