26.09.19 – Christian Franz, Gerald Hoffmann, Chokri Cherif
Entwicklung eines aktiven Fadenlängenausgleichssystems an Kettenwirkmaschinen
Durch die Forschungsarbeiten am ITM ist die Entwicklung eines hochproduktiven und nachrüstbaren aktiven Fadenlängenausgleichs an Kettenwirkmaschinen gelungen. Auf Basis der umfassenden simulationsgestützten Berechnung des Fadenbedarfs sowie der Maschinenanalyse wurden Lösungsvarianten zur getriebetechnischen Umsetzung an Kettenwirkmaschinen geschaffen und umgesetzt. Dabei ist es erstmalig möglich, eine fadenschonende Verarbeitung von Garnen mit geringer Bruchdehnung, speziell Bauwoll-Ring- und hochfestem Polyester-Multifilamentgarn, bei hohen Produktionsgeschwindigkeiten (bis 3500 U/min) zu realisieren.
Einleitung
In der fadenverarbeitenden Textilindustrie geht die Entwicklung verstärkt zur Herstellung von immer anspruchsvolleren Textilien mit einem hohen Nachhaltigkeitsfaktor. Dafür werden vermehrt Garne aus Viskose, Baumwolle oder hochfesten Materialien, wie Aramid, verarbeitet, die nur geringe Bruchdehnungen von unter 20 % und teilweise sehr hohe Festigkeiten aufweisen. Für die produktive Verarbeitung dieser Garne sind allerdings tiefgreifende Weiterentwicklungen im Bereich der Fadenzuführungen an Textilmaschinen notwendig. Beim Kettenwirken betrifft das vor allem die Kettfadenspannelemente, die die beim Kettenwirken auftretenden Fadenlängendifferenzen ausgleichen. Derzeit werden passive Spannelemente eingesetzt, die bei hohen Produktionsgeschwindigkeiten in ihrem Eigenfrequenzbereich und durch die damit einhergehende Erhöhung der Resonanzamplitude den benötigten Fadenbedarf nicht mehr prozesssicher ausgleichen. Bei der Verarbeitung von Garnmaterialien mit geringen Bruchdehnungen kommt es dadurch zu Fehllegungen, Fadenbrüchen oder zu Beschädigungen an den Wirkelementen. Das Ziel der Forschungsarbeiten am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der Technischen Universität Dresden (ITM) war deswegen die Entwicklung eines aktiv angetriebenen Fadenlängenausgleichssystems an Kettenwirkmaschinen für die hochproduktive Verarbeitung von Garnmaterialien mit geringen Bruchdehnungen.
Entwicklung eines aktiven Fadenlängenausgleichssystems
Die Forschungsarbeiten wurden am Kettenwirkautomaten COPCENTRA 3K des ITM mit 93 Zoll Arbeitsbreite und einer Maschinenfeinheit von E 20 durchgeführt. Anhand einer umfassenden geometrischen und kinematischen Analyse der Kettenwirkmaschine wurde ein vektoriell-basiertes Modell der Fadenbewegung im Wirkprozess erstellt und so die maßgeblichen Einflussfaktoren auf den Wirkprozess ermittelt. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde ein servogesteuerter Versuchsstand entwickelt, mit dem sich die Bewegungskurven für den Fadenbedarf exakt abbilden lassen. Der Versuchsstand wurde im Kettfadensystem des Kettenwirkautomaten implementiert und diente der Ermittlung einer harmonischen Bewegungskurve zum Ausgleich des Fadenbedarfs (Bild 1), die sich mit getriebetechnischen Lösungen abbilden lassen. Darauf aufbauend wurde eine ergebnisorientierte Entwicklung von verschiedenen Lösungsvarianten für einen an Kettenwirkmaschinen nachrüstbaren getriebetechnischen aktiven Fadenlängenausgleich durchgeführt. Aus den Lösungsvarianten wurde unter Bewertung des Handlings im Betrieb, den entstehenden Kosten und dem Montageaufwand eine Vorzugslösung festgelegt. Bei dieser werden die Schwingbewegungen der Legebarren und die Hubbewegung der Wirknadeln zu der notwendigen Bewegungskurve für den Fadenlängenausgleich aufsummiert (Bild 2). Für die Ausnutzung der Schwingbewegung erfolgt über einen am Schwunggetriebe der Legebarren montierten Laufwagen und daran befestigten Stange. Die Hubbewegung der Wirknadelbarre wird über Getriebehebel an den Laufwagen übertragen. Durch konsequenten Leichtbau wurden eine hohe Steifigkeit und hohe Eigenfrequenz erreicht, so dass sich der Fadenbedarf auch bei hohen Maschinengeschwindigkeiten über 3500 U/min exakt ausgleichen lässt.
Erprobung des aktiven Fadenlängenausgleichssystems
Die entwickelte Getriebelösung wurde am Kettenwirkautomaten installiert und durch die Verarbeitung von Baumwoll-Ringgarn (200 dtex) und hochfestem Polyester-Multifilamentgarn (140 dtex) erfolgreich getestet (Bild 3). Dabei wurden unterschiedliche Gewirkemuster mit verschiedenen Bindungsvarianten, z. B. aus Trikot-, Tuch und Samtbindungen, hergestellt. Bei deren Herstellung wurden die Prozessfadenzugkräfte aufgenommen und eine Standreihenbewertung durchgeführt. Die Prozessfadenzugkräfte lassen sich mit dem System auf 23 ± 1 cN pro Faden reduzieren und liegen damit 43 % unter passiven Spannelementen auf Blattfederbasis. Durch die gute dynamische Auslegung konnten die verwendeten Garnmaterialien mit sehr hohen Produktionsgeschwindigkeiten über 2800 U/min verarbeitet werden, wobei das Leistungspotential nicht ausgeschöpft wurde.
Die Standreihenbewertung erfolgte am ITM mittels einer hochauflösenden Kamera der Firma Baumer GmbH mit Triggerfunktion und einer Bildrate von 337 fps. Die Bilder wurden anschließend in Graustufen-Bilder umgewandelt und ausgewertet. Bei unverändertem Kettenwirkautomaten treten deutlich sichtbare Standreihen mit Abweichungen von ± 9 % auf. Diese Abweichungen lassen sich mittels des aktiven Fadenlängenausgleiches auf maximal ± 5 % reduzieren und sind optisch nicht mehr erkennbar.
Fazit
Durch die Forschungsarbeiten am ITM ist die Entwicklung eines hochproduktiven und nachrüstbaren aktiven Fadenlängenausgleichs an Kettenwirkmaschinen gelungen. Auf Basis der umfassenden simulationsgestützten Berechnung des Fadenbedarfs sowie der Maschinenanalyse wurden Lösungsvarianten zur getriebetechnischen Umsetzung an Kettenwirkmaschinen geschaffen und umgesetzt. Dabei ist es erstmalig möglich, eine fadenschonende Verarbeitung von Garnen mit geringer Bruchdehnung, speziell Bauwoll-Ring- und hochfestem Polyester-Multifilamentgarn, bei hohen Produktionsgeschwindigkeiten (bis 3500 U/min) zu realisieren.
Danksagung
Das IGF-Vorhaben 19166 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht und weiterführende Informationen sind am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden erhältlich