20.06.23 – Cotton Ranking 2023

Intransparent und nicht nachhaltig

Wie und welche Baumwolle große Modeunternehmen beziehen, ist und bleibt ein gut gehütetes Geheimnis. Die große Mehrheit der internationalen Marken (89 %) agiert entweder intransparent oder nicht nachhaltig. Das Cotton Ranking 2023, das von Solidaridad Europa und dem Pesticide Action Network UK (PAN UK) veröffentlicht wurde, zeigt kaum Fortschritte bei der Verbesserung der Produktionsbedingungen.

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Die neu gelaunchte Plattform „Sustainable Cotton Hub“ bringt Experten aus dem Baumwollsektor zusammen. © Annemarieke van den Broek

 

Verantwortung der Modemarken

Wie es aussieht, entscheiden sich Modemarken teils bewusst für nicht-nachhaltige Baumwolle, auch wenn ihnen eine breite Palette an Maßnahmen zur Verfügung steht, mit welchen die schlimmsten ökologischen und sozialen Auswirkungen des Baumwollanbaus, abzumildern, anzugehen oder sogar umzukehren wären. Das geht aus dem gleichzeitig mit dem Cotton Ranking veröffentlichten Papier „Baumwolle und Unternehmensverantwortung“ hervor. Ein Großteil der Baumwolle, die von großen Modemarken eingekauft wird, ist nicht zertifiziert. Nur neun der 82 größten Textilunternehmen der Welt kaufen 99 % oder 100 % ihrer Baumwolle mit einem Zertifikat. Als ein Grund für die mangelnden Fortschritte entlang der Lieferkette führen viele Unternehmen die komplexen Lieferketten an. Dabei gibt es viele Möglichkeiten für Firmen, Verantwortung zu übernehmen. Das Papier „Baumwolle und Unternehmensverantwortung“ (orig.: „Cotton and Corporate Responsibility“) enthält zahlreiche Empfehlungen, wie in die Klimaanpassung von Kleinbauern, eine faire und transparente Beschaffung und eine bessere Bezahlung der Baumwollerzeuger investiert werden kann.

„Angesichts der Ressourcen, die großen Marken zur Verfügung stehen, ist nicht-nachhaltige Baumwolle immer eine bewusste Entscheidung. Eine schlechte Entscheidung. Marken und Einzelhändler*innen könnten auch andere Entscheidungen treffen. Sie könnten sich für mehr Transparenz in ihren Unternehmen und bei ihren Lieferant*innen entscheiden. Sie könnten sich entscheiden, die komplexe Frage der gerechten Entlohnung anzugehen, anstatt sie als Ausrede zu benutzen. Und sie können sich dafür entscheiden, mit allen Akteur*innen entlang ihrer Lieferkette zusammenzuarbeiten, anstatt sich hinter Zwischenhändler*innen zu verstecken“, sagt Heske Verburg von Solidaridad Europa.

Aktuelle Unternehmenspraktiken drängen Menschen in Armut und belasten die Umwelt

Derzeit erhalten Baumwollkleinbauern, die die Mehrheit der weltweiten Baumwollproduzenten ausmachen, kein faires Einkommen, wodurch sie an den Rand der Armut gedrängt werden. Meist haben sie keinen Zugang zu Ausbildung und keine Unterstützung bei der Anpassung an die Klimakrise. Da die Auswirkungen ebendieser ihre Erträge bereits jetzt verringert oder sogar vernichtet, können Kleinbauern keine verlässliche Produktion gewährleisten und werden noch weiter in die Armut getrieben.

Die jüngste Rangliste und das Papier „Baumwolle und Unternehmensverantwortung“ zeigen die negativen Auswirkungen der derzeitigen Unternehmenspraktiken: „Fast die Hälfte der kleinen Baumwollbäuer*innen wird jedes Jahr durch Pestizide vergiftet. Es ist möglich, Pestizidvergiftungen zu verhindern, wenn Textil- und Bekleidungsunternehmen sich dafür entscheiden, Verantwortung für ihre Lieferketten zu übernehmen und mehr in die Unterstützung des agrarökologischen Baumwollanbaus zu investieren“, sagt Rajan Bhopal, Baumwollexperte bei PAN UK.

Neue Plattform

Das Cotton Ranking 2023 sowie das Papier „Baumwolle und Unternehmensverantworung“ sind die ersten Veröffentlichungen des neu gegründeten „Sustainable Cotton Hub“. Ziel ist es, die Probleme in der Baumwollproduktion aufzuzeigen und die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ursachen zu untersuchen. Konkret wird die Plattform immer wieder konkrete Empfehlungen ausgeben, wie die wichtigsten Akteure des Sektors diese kritischen Fragen angehen können. Im Laufe dieses Jahres werden neue Veröffentlichungen zu Themen wie Baumwolle und Klimawandel oder Baumwolle und globale Ungleichheit publiziert.