31.05.21 – Nachhaltigkeits-Startups – Folge 11: Eeden GerMan

Ziel Zero (11): Das Unmögliche wagen

Alles was wir an Bekleidung tragen, sollte entweder recycelbar oder vollbiologisch abbaubar sein. Innovative Start-ups zeigen neue Wege auf.

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Gründerduo Steffen Gerlach und Reiner Mantsch: Baumwoll-Recycling mit hohem Anspruch. © Eeden German_Martin Leclaire

 
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Wattebausch als Endprodukt: mindestens so hochwertig wie reine Baumwolle. © Eeden German Andreas Baum

 

Der Gedanke fasziniert Branchenpraktiker und Textilforscher ebenso wie Quereinsteiger: Eines möglich frühen Tages sollte alles, was wir an Bekleidung tragen, entweder recycelbar oder vollbiologisch abbaubar bzw. verrottbar sein. Auch sind nachhaltige Textiltechniken gefragt. Dafür sind keine Patentrezepte in Sicht, wohl aber Einzelschritte, die mit neuen Materialien und Technologien in die richtige Richtung zielen. textile network stellt in lockerer Folge Start-ups aus dem deutschsprachigen Raum vor, die mit Blick auf eine verbesserte Kreislaufwirtschaft deutlich die Grenzen des bisher Möglichen sprengen.

Folge 11: Eeden GerMan (UG), Mönchengladbach

Die Freunde mit dem Wattebausch: Wegweisendes Verfahren zum Baumwollrecycling

Die Textilwirtschaft steht vor einem Kreuzweg: Hier die sechsspurige Autobahn von einem zum anderen Ende der Welt, auf der die globale Bekleidungsproduktion mit Natur- und Chemiefasern für derzeit 7,5 Mrd. Menschen in hohem Tempo ihren Weg zu den Endkunden findet. Da ein schmaler Pfad in Richtung Kreislaufwirtschaft, auf dem – um im Bild zu bleiben – recyceltes Fasermaterial oft nur mit dem Handkarren zum Wiedereinsatz für neue Textilprodukte transportiert wird. Angesichts wachsender Weltbevölkerung und kaum noch ausbaufähiger Naturressourcen, beispielsweise bei der Baumwollerzeugung, sollten die derzeitigen Stoffströme nicht nur hinterfragt, sondern auch mit Blick auf einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck in Frage gestellt werden. Vor diesem Hintergrund hat das Start-up Eeden eine vielversprechende Technologie zum Recycling von Baumwollresten zu neuwertigen Zellulosefasern entwickelt; von einer potenziellen Revolution im Textilrecycling ist inzwischen sogar die Rede.

Zwei Freunde aus der Jugendzeit, Betriebswirt Steffen Gerlach und Reiner Mantsch, künftiger Textil- und Bekleidungstechniker, stehen mit ihrem Lösungsansatz vor einem komplexen Mammutproblem. Sie zielen mit ihrer chemischen Technologie darauf ab, die in Deutschland anfallenden 1,3 Mio. t Alttextilien zunehmend zu einer Rohstoffquelle umzuwandeln. Jüngste Analysen gehen davon aus, dass davon hierzulande 62 Prozent wiederverwendet, 12 Prozent recycelt und weitere 12 Prozent thermisch verwertet oder entsorgt werden. Demgegenüber landet das Weltaufkommen an Blusen, Hosen, Mänteln oder Kleidern zu fast drei Viertel im Ofen bzw. auf der Deponie, während 12 Prozent recycelt werden. Fragen an das Gründerduo aus Langenfeld (NRW):

textile network: Ihr Start-up erinnert an die Anfänge von Google und damit an die Frage: Kann ein Einzelner bzw. eine Firma die Welt verändern?

Sicherlich hinkt dieser Vergleich, doch im rationalen Kern geht es doch wohl allen Gründern so: Sie wollen mit neuen Ideen verändern und Prozesse beschleunigen helfen. Auf uns bezogen heißt das: Über Textilrecycling wird schon seit unserer Schulzeit geredet, doch einen richtigen Durchbruch bei dem Thema gab bis auf das PET-Recycling zu wiederverwendbaren Fasern und ein paar Ansätzen der Zellulosegewinnung aus Alttextilien praktisch kaum. Wir wollen uns zunächst mit der Wiederverwertung von Baumwolle auf der Basis von industriellen Resten beschäftigen. Dazu haben wir mit Unterstützung von Forschungseinrichtungen in NRW und Thüringen einen technischen Ansatz entwickelt, der aus unserer Sicht eleganter ist als die der wenigen Wettbewerber.

textile network: Der funktioniert wie?

Unser Ziel: Wir wollen die Baumwolle auch vor dem Hintergrund, dass Altkleider wie Downcyclingprodukte daraus letztlich wieder entsorgt werden, im Kreislauf halten. Das dafür entwickelte chemische und nachhaltige Recyclingverfahren mit vergleichsweise wenig Chemikalien verwertet industriellen Verschnitt oder Garnreste. Im Ergebnis sollen der Textilindustrie Zellulosefasern mit baumwollähnlichen Eigenschaften zur Verfügung gestellt, die qualitativ sogar hochwertiger als neue Baumwolle sind. Dies liegt an dem Herstellungsverfahren einer Zellulosefaser, die u. a. eine bessere Reißfestigkeit und ein optimiertes Feuchtigkeitsmanagement aufweisen.

Die Technologie ist so gut wie fertig; jetzt testen und experimentieren wir mit Partnern was das Zeug hält. Dabei ist unser Anspruch, heute schon den Prozess mit Blick auf die Nachhaltigkeitsansprüche in Zukunft so zu gestalten, dass dieser den sicherlich dann strengeren Regeln in zehn bis 20 Jahren auch noch entspricht. Sollten Sie jetzt nach der bisherigen Finanzierung fragen: Wir haben unsere Seed-Phase aus Eigenmitteln und einem NRW-Gründerstipendium finanziert. Und: Mönchenglabbach hat uns über die Wirtschaftsförderung mit dem Start-Up.Starterkit.MG unterstützt, der auch eine Gründer-WG in der Innenstadt sowie Mentoring und ein kostenloses Büro in der NEW-Blauschmiede beinhaltet.

Eeden GerMan auf einen Blick:

  • Gründung: 2019

  • Gründer: Steffen Gerlach, Reiner Mantsch (beide 26)

  • Mitarbeiter: 4

  • Alleinstellung: Grünchemisches Verfahren zum Recycling zunächst von Baumwollabfällen zur Produktion hochwertiger Textilien

  • www.eedengerman.com

textile network: Das Jahr 2021 ist für Sie ein Jahr der Weichenstellungen?

Wir sind sicherlich noch über das Jahr hinaus mit der Optimierung unseres Verfahrens beschäftigt. Vielleicht kommt es 2021 schon in einer Pilotphase zur Produktion des ersten Fasermaterials, das der bekannten Watte ähnelt. Diese Zwischenetappe mit Erfolg abzuschließen, ist zugleich auch für unseren Businessplan, mit dem wir auf Investorensuche gehen wollen, enorm wichtig. Was passiert in der nächsten Zeit noch? Wir werden die UG demnächst in eine GmbH als stabile Gesellschaftsform überführen und hoffen, dass unser Patentanwalt unser Know-how auch international schutzrechtlich absichern kann. Steigen Investoren ein, wird sich auch unserer personeller Besatz deutlich vergrößern.

textile network: Welche Ziele gibt es mit Blick auf die Mitte des Jahrzehnts?

2025 ist so ein Kipp- oder Knackpunkt für uns: Bis dahin werden wir mit Investorengeldern die Pilotierungsphase sicherlich abgeschlossen und eine kleinindustrielle Pilotanlage errichtet haben. Parallel dazu wird unser Team anwachsen und müssen logistische Strukturen für eine künftige Wertschöpfung aufgebaut werden.

textile network: Eine letzte Frage: Wenn Ihnen eine Fee nur einen Wunsch erfüllten könnte ...

… dann hätten wir trotzdem zwei: einen mit Blick auf die USA und anderswo leichteren Zugang zu Risikokapital und für Start-ups Sondervergünstigungen, wenn es darum geht, für teures Geld grundlegende Daten, Statistiken und Trendreports erwerben zu können. Und einen weiteren: Im Allgemeinen sollte Recycling nicht zum Modewort verkommen, sondern mit Volumina und hoher Effizienz zielstrebiger betrieben werden.