04.01.22 – FH Bielefeld forscht

Solarstrom aus Textilien gewinnen

Im Projekt „SolarFlex“ wird daran geforscht, wie aus dem Stoff von Markisen, Sonnenschirmen, Rucksäcken oder Zelten Energie zum Aufladen oder für den Betrieb kleinerer elektronischer Geräte genutzt werden kann.

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An der FH Bielefeld entwickeln Forscher eine neuartige, erstmals vollständig in Textilien integrierte Naturfarbstoff-Solarzelle. © Patrick Pollmeier/FH Bielefeld

 

Mal wieder vergessen, das Smartphone zu laden? Das geht vielleicht schon bald auch unterwegs. Ob auf dem Rad, im Café oder auf dem Campingplatz – die Möglichkeiten sind denkbar vielfältig, wenn man sich Solarzellen in einem textilen Gewebe vorstellt: beispielsweise auf dem Rucksack, im Sonnenschirm oder im Zeltdach. Auch in Krisensituationen eine Möglichkeit, sich autark mit Strom zu versorgen.

An der Fachhochschule (FH) Bielefeld entwickeln Forscher diese neuartige, erstmals vollständig in Textilien integrierte Naturfarbstoff-Solarzelle.

Nachhaltige und kostengünstige Solarzelle

Was nach einer revolutionären Hightech-Erfindung klingt, ist der Natur nachempfunden und vor allem eins: nachhaltig. „Die Farbstoff-Solarzelle ist ungiftig, und durch die geschickte Auswahl der Bestandteile soll sie kostengünstig und später einfach recycelbar sein“, erklärt Projektleiter Marius Dotter, der zu diesem Thema an der FH Bielefeld in Kooperation mit der Universität Bielefeld promoviert. Das Projekt steht momentan noch ganz am Anfang, aber die FH greift damit einen Trend auf, der schon bald in unseren Alltag einziehen könnte.

Bereits für Stand-alone-Lösungen einsetzbar

Prof. Dr. Andrea Ehrmann forscht an der FH Bielefeld seit einigen Jahren zu dem Thema und betreut Marius Dotters Doktorarbeit. Sie sieht in Farbstoffsolarzellen eine interessante Alternative zu herkömmlichen Solarzellen: „Ihre Herstellung benötigt keine Reinräume und viel weniger Energie als etwa Siliziumsolarzellen. Allerdings sind ihre aktuellen Wirkungsgrade besonders bei Nutzung preiswerter, ungiftiger Materialien sehr niedrig. Sie genügen noch nicht, um einen essentiellen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Farbstoffsolarzellen können aber bereits jetzt für Stand-alone-Lösungen, in textiler Architektur oder auf anderen großen Flächen eingesetzt werden. Dies kann sinnvoller und umweltschonender sein als der Einsatz herkömmlicher siliziumbasierter Zellen.“

Stromkreislauf dank Sonnenlicht

Farbstoffsolarzellen, in der Fachwelt auch nach ihrem Erfinder Michael Grätzel als Grätzel-Zellen bekannt, sind dem photoelektrischen Effekt nachempfunden: Sie wandeln Licht in elektrische Energie um. Der Farbstoff absorbiert Licht, dadurch ‚löst sich‘ ein Elektron – ein Stromkreislauf entsteht.

Die Zellen bestehen aus zwei leitfähigen Elektroden, von denen mindestens eine durchsichtig sein muss, um Licht in die Zelle eindringen zu lassen. Dazu wird meist Glas als Trägermaterial genutzt. Die Frontelektrode, die dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, wird mit einem Halbleiter, typischerweise Titandioxid, beschichtet. Darauf wiederum wird der Farbstoff abgelagert. Die Farbstoffmoleküle absorbieren das Licht und regen so Elektronen im Farbstoff an, die in das Leitungsband des Halbleiters ‚wandern‘. Durch den Halbleiter und die Frontelektrode gelangen die Elektronen in einen äußeren Kreislauf, wo sie die Energie abgeben können. Den Wiedereintritt in die Solarzelle über die Gegenelektrode unterstützt eine Platin- oder Graphitschicht als Katalysator. Mit der Rückkehr des Elektrons in den Farbstoff wird der Kreislauf geschlossen. Der Farbstoff kann dann wieder erneut Licht absorbieren und in Energie umwandeln.

Das gleiche Prinzip will man an der FH Bielefeld nutzen – aber ohne Glas, dafür in Textil und mit ausschließlich ungiftigen Materialien.

Wie viel Energie die Zellen produzieren werden, hängt letztendlich von der Fläche und Anzahl der Zellen ab sowie von der Einstrahlung. „Unser Ziel ist, dass wir mit einem Quadratmeter Photovoltaik-Textil an einem durchschnittlichen Tag in Deutschland drei Smartphone-Akkus laden können. Genauere Werte werden wir erst gegen Ende des Projekts ermitteln können“, erklärt Dotter.

Wichtig ist ihm, dass sich die Materialien auch wirklich wie Textilien anfühlen, die man bei der jeweiligen Nutzung erwartet, und dass sie langlebig sind. Und wird das Zelt, der Rucksack oder die Markise doch zu sehr in Mitleidenschaft gezogen, kann das Material recycelt werden. Giftige Stoffe fallen dabei nicht an, wie Dotter erklärt: „Unser Ziel ist, dass man die Materialien bedenkenlos nutzen und auch wiederverwerten kann.“