16.02.21 – Trützschler Nonwovens und Trützschler Card Clothing — read English version

Let’s get virtual – ein Selbstversuch

Trützschler richtete im November 2020 eine virtuelle Hausmesse aus. Einfach ins Netz und alles läuft wie bei einer realen Messe? Ein Erfahrungsbericht.

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Trützschlers Good Vibes Messe: Willkommen, bienvenue, welcome! © Trützschler

 
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Auf der Hausmesse wurden unter anderem die innovativen CP-Anlagen vorgestellt. Sie kombinieren eine Nassvliesmaschine mit einer Krempel, um zweilagige Produkte aus einer Zellstoffschicht und einem kardierten Vlies herzustellen. Produktionslinien für Carded/Pulp-Produkte sind äußerst flexibel, da ihr Produktspektrum neben den CP-Verbundstoffen auch WLS- oder kardierte Vliesstoffe umfasst. © Trützschler

 

Unternehmen vieler produzierender Branchen lebten in Vor-Corona-Zeiten häufig nach dem Messekalender. Trützschler und andere Textilmaschinenbauer passten ihre Entwicklungsaktivitäten der Leitmesse ITMA an. Doch nicht nur Entwicklung und Marketing waren auf internationale, regionaler oder fachspezifischer Leitmessen ausgerichtet, sie spielten auch im Vertrieb eine inoffizielle, aber doch große Rolle.

Man verabredete sich zu Projektdiskussionen auf dem Messestand. Die Vertretungen stellten Interessenten vor und langjährige Partner kamen spontan vorbei, um Bekannte zu treffen. In den Gesprächen ging es immer um Neuigkeiten, Trends, Endprodukte und Ideen und manchmal auch um Privates.

  • Persönliche Treffen sind außerordentlich wichtig für Menschen, um sich (besser) kennen zu lernen und um Vertrauen aufzubauen.
  • Ein falscher Partner kann ein erhebliches finanzielles und sogar unternehmerisches Risiko bedeuten.
  • Wir Menschen versuchen diese Risiken zu minimieren, indem wir uns persönlich davon überzeugen, dass der andere der optimale Partner ist.
  • Und das tun wir nicht nur einmal, sondern immer wieder.

Jetzt fallen diese persönlichen Begegnungen seit Monaten weg. Weder finden Messen oder Konferenzen statt noch können Kunden und Interessenten besucht werden. Das unternehmerische Leben geht aber weiter, es muss über neue Projekte diskutiert und auch entschieden werden.

Ein Gutes der Pandemie ist ein gehöriger digitaler Schub: Vielen von uns helfen nicht nur E-Mail und Telefon, sondern auch Video-Meetings bei der täglichen Kommunikation. Technisch und organisatorisch ist die Verlegung einer Fachmesse, Hausmesse oder Konferenz kein Problem. Es gibt die üblichen Kinderkrankheiten von digitalen Werkzeugen, doch grundsätzlich funktionieren die verschiedenen Systeme.

Auch Trützschler richtete im November eine virtuelle Hausmesse mit über 250 externen Besuchern aus. Es klapperte hier und dort bei der Technik, doch das wird kaum ein Besucher gemerkt haben. Denn auf realen Messen läuft ebenfalls nie alles reibungslos ab: Vertrieb, Marketing und das Standpersonal sind Weltmeister im Improvisieren.

So gibt es eine lange „Lessons learnt“-Liste. Sie reicht von der Farbgebung von Benachrichtigungen bis zu Details im Einladungsmanagement. Der Hauptpunkt: Die Durchführung einer virtuellen Messe erfordert ein anderes Vorgehen als eine reale Messe.

  • Wozu dient eine reale Messe? Sie bietet effiziente Möglichkeiten, um ...

... Neuigkeiten einem breiten Publikum vorzustellen.

... die Akzeptanz neuer Produkte zu testen.

... Kunden/Interessenten mit Ideen zu versorgen.

... konkrete Projekte zu besprechen.

... einander besser oder gar persönlich kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen.

  • Der wichtigste Vorteil einer realen Messe ist allerdings die ungeteilte Aufmerksamkeit des Besuchers. Es ist ein fester Zeitraum, in dem sich alles nur um den Messebesuch und nicht um das Tagesgeschäft handelt. Besucher wie Aussteller sind bereit, sich auf Neues und den jeweiligen Gesprächspartner einzulassen.

Das Versprechen, „die Messe“ einfach ins Netz zu verlegen und alles läuft wie bei einer realen Messe, ist trügerisch. Ja, Neuigkeiten können vorgestellt und es kann eine Plattform für den direkten Austausch geschaffen werden. Ein virtuelles Event kann allerdings nicht zum Besuch der Webseiten zwingen. Digital sein heißt verfügbar sein – das digitale Event steht deshalb in Konkurrenz zum Tagesgeschäft. Das, seien wir ehrlich, immer die höchste Priorität hat.

  • Der Segen des Digitalen, seine Verfügbarkeit immer und überall, ist gleichzeitig sein Feind.

Man kann sich Inhalte ja auch später ansehen – und dann sind die drei Tage oder zwei Wochen der virtuellen Messe auch schon vorbei.

Wie ist dieses Dilemma lösbar?

Wir haben in den letzten Monaten unterschiedliche Ansätze gesehen: Manche Veranstaltungen locken mit Prämien für einen Besuch und die Kommunikation mit Ausstellern. Andere bieten Messerabatte oder versuchen mit terminierten Veranstaltungen, Anreize für den Besuch zu schaffen.

Trützschler Nonwovens und Trützschler Card Clothing sind den Weg der persönlichen Einladung gegangen. Aber Kunden zum Besuch eines virtuellen Events zu bewegen, heißt noch nicht, mit ihnen auch Gespräche zu führen. Es mag an den neuen Medien liegen, es gab doch eine gewisse Scheu, den Austausch via Chat oder Videoanruf zu suchen.

Wir werden den digitalen Weg weitergehen, da auch 2021 noch kein „normales“ Jahr werden wird. Das Experimentieren mit den verschiedenen Möglichkeiten macht zudem Spaß – vor allem da sich bislang noch kein Königsweg für die Durchführung virtueller Veranstaltungen herausgebildet hat. Trützschler ist überzeugt, dass virtuelle Veranstaltungen bestehen bleiben – auch wenn Reisen wieder möglich und echte Messen mit echten Besuchern wieder durchgeführt werden können.

Jutta Stehr, Senior Marketing Manager, Trützschler Nonwovens & Man-Made Fibers GmbH