13.05.25 – Regulatorische Herausforderungen und Biokompatibilitätstests — read English version

Medizinische Textilien im globalen Markt

Der technologische Fortschritt und die steigende Nachfrage nach spezialisierten Textilanwendungen treiben das Wachstum der medizinischen Textilindustrie voran und Hersteller müssen sich in der komplexen Landschaft globaler Regularien zurechtfinden, um Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten.

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Ein proaktiver Ansatz für Biokompatibilitäts- und mikrobielle Tests kann die Produktentwicklung und -innovation unterstützen und die Produktsicherheit und -wirksamkeit verbessern. © Hohenstein

 
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Dr. Timo Hammer ist CEO von Hohenstein Laboratories, einem Prüf- und Forschungsdienstleister für Softlines, Hardlines und Medizinprodukte. Mit Hauptsitz in Bönnigheim ist das Familienunternehmen global tätig und beschäftigt rund 1.200 Mitarbeitende. Hammer promovierte an der Universität Stuttgart-Hohenheim und ist Experte im Bereich der Entwicklung und Prüfung von Medizinprodukten. © Hohenstein

 

Medizinische Textilien lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Einerseits Einwegartikel, wie Wundauflagen oder Inkontinenzprodukte. Diese Artikel werden bei der Patientenversorgung verwendet, wo Hygiene eine wichtige Rolle spielt und die Materialeigenschaften für eine optimale Performance sorgen. Die für diese Textilien verwendeten Materialien müssen strengen gesetzlichen Anforderungen genügen, damit sie für den unmittelbaren Kontakt mit Patienten sicher sind. Zudem spielen Textilien auch in Filtersystemen, z. B. für Beatmungs- und Blutreinigungsgeräte, eine wichtige Rolle. In der anderen Kategorie sind Artikel wie OP-Bekleidung und Kompressionsstrümpfe für den wiederholten Gebrauch konzipiert und erfordern Langlebigkeit und Komfort sowie strenge Reinigungs- und Sterilisationsverfahren. OP-Mäntel beispielsweise sind so konzipiert, dass sie wiederholt industriell gewaschen werden können und dabei ihre schützenden Eigenschaften beibehalten.

Rechtliche Rahmenbedingungen in der EU

Eine der größten Herausforderungen sind die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. In der EU werden Medizinprodukte nach der Medizinprodukteverordnung (MDR) 2017/745 klassifiziert. Darin werden die Produkte in vier Klassen eingeteilt:

- Die Klasse I umfasst Produkte mit geringem Risiko, die nicht invasiv und steril oder wiederverwendbar sind, wie z. B. Thermometer.

- Klasse IIa umfasst Produkte mit mittlerem Risiko wie Katheter, chirurgische Klemmen und Hörgeräte.

- Produkte der Klasse IIb stellen mittlere bis hohe Risiken dar, wie sie bei Defibrillatoren und Lasern auftreten.

- Produkte der Klasse III wie Herzklappen und Gelenkimplantate gelten als Hochrisikoprodukte und erfordern eine umfassende Bewertung.

Bei Produkten der Klasse I können die Hersteller die Konformität mit dem CE-Kennzeichnungsverfahren selbst erklären. Die „Conformité Européenne“ zeigt, dass ein Produkt die Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltstandards der EU erfüllt. Für die Klassen II und höher ist eine Überprüfung durch eine benannte Stelle erforderlich.

Klassifizierung in den USA

Die U.S. Food and Drug Administration (FDA) verwendet für Medizinprodukte ein ähnliches Klassifizierungssystem. Für Produkte der Klasse I sind keine unabhängigen Prüfungen vor der Marktfreigabe erforderlich. Für die meisten Produkte müssen die Hersteller eine 510(k)-Meldung vor der Markteinführung einreichen. Dadurch wird die wesentliche Gleichwertigkeit mit einem rechtmäßig vermarkteten Produkt nachgewiesen, indem klinische Daten und andere relevante Informationen vorgelegt werden. Für kritische Medizinprodukte (i. d. R. Klasse III) ohne Vergleichsprodukte, ist ein strengeres Zulassungsverfahren erforderlich, das umfangreiche klinische Studiendaten zum Nachweis der Sicherheit und Wirksamkeit verlangt.

Diese regulatorischen Unterschiede verdeutlichen die Herausforderungen und die Komplexität, mit denen Hersteller konfrontiert sind, wenn sie die Einhaltung der Vorschriften sicherstellen und den Marktzugang für medizinische Textilien in beiden Regionen erreichen wollen.

Biokompatibilität

Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung und Vermarktung medizinischer Textilien ist die Biokompatibilität. Sie bestimmt, wie die Materialien mit dem menschlichen Körper interagieren. Die Tests umfassen in der Regel sowohl In-vitro-Studien (im Reagenzglas oder in der Kulturschale) als auch In-vivo-Studien (am Tier oder am Menschen). Die ISO-Norm 10993-1 umreißt die erforderlichen Bewertungen. Eine chemische Charakterisierung, sowie drei biologische Endpunkte sind Standard für Biokompatibilitätsbewertungen bei fast allen Medizinprodukten:

- Zytotoxizität: Bewertet das Potenzial eines Materials, Zellschäden zu verursachen.

- Irritation: Bewertet, ob ein Material eine örtlich begrenzte Entzündungsreaktion hervorruft.

- Sensibilisierung: Bestimmt, ob die Exposition gegenüber einem Material zu allergischen Reaktionen führen kann.

In den USA schreibt die FDA spezifische Vorschriften und Normen für Biokompatibilitätstests vor, die sich an der von der EU geforderten Norm orientieren. Sie erkennt jedoch nicht alle Normen vollständig an. Allgemein können fehlende detaillierte Informationen über Materialien die Bewertung der Kompatibilität erschweren. Es ist ratsam, diese bereits früh im Entwicklungsprozess zu prüfen, um geeignete Materialien zu finden, bevor das Produkt fertiggestellt wird. Zur Bewertung des fertigen Textilprodukts können zusätzliche Tests durchgeführt werden. Wird die Biokompatibilität nicht angemessen bewertet, kann das zu nachteiligen Ergebnissen für Patienten und zu regulatorischen Konsequenzen führen.

Sicherheit gewährleisten

Die Beseitigung von Produktionsresten, Keimen und sonstigen Störstoffen ist von entscheidender Bedeutung, um Infektionen und sonstige negative Effekte zu verhindern. Sowohl in der Europäischen Union als auch in den Vereinigten Staaten gibt es daher Vorschriften und Richtlinien zur Sauberkeit, Reinigung und Desinfektion von Medizinprodukten. Die Medizinprodukteverordnung betont die Bedeutung von Biokompatibilität und mikrobiellen Grenzwerten. Die FDA reguliert medizinische Textilien in einem ähnlichen Rahmen, aber der Schwerpunkt auf Sauberkeit und Desinfektion wird durch die Quality System Regulation (QSR) und spezifische Leitfäden formuliert.

Maßgeschneiderte Zusammenarbeit mit Prüflabor

Die Medizintechnik bringt immer bessere und schnellere Lösungen zur Verbesserung der Patientenversorgung. Hersteller, die auf den globalen Märkten erfolgreich sein wollen, müssen eine ganzheitliche Sichtweise einnehmen, die die Einhaltung zahlreicher Standards einschließt. Ein proaktiver Ansatz für Biokompatibilitäts- und mikrobielle Tests kann die Produktentwicklung und -innovation unterstützen und die Produktsicherheit und -wirksamkeit verbessern. Viele Hersteller von Medizinprodukten arbeiten deshalb mit einem Prüflabor zusammen, das mit dem Labyrinth globaler Vorschriften bereits vertraut ist, und entwickeln einen auf ihre Bedürfnisse und ihr Budget zugeschnittenen Plan. So stellen sie nicht nur sicher, dass medizinische Textilien den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, sondern gewährleisten auch die Sicherheit von Menschen in einem gefährdeten Umfeld.