24.08.20 – Nachhaltige Faservliese — read English version
Nonwovens aus Naturfasern – Forschungsergebnisse
Naturfasern und ihre Nutzung können einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Klimaerwärmung leisten.
Die Einhaltung von Emissionsgrenzen und die Eindämmung des Treibhauseffektes sind von zentraler Bedeutung für die heutige Wirtschaft und Gesellschaft.
Aufgrund ihrer neutralen CO2-Bilanz und den geringen Energieaufwendungen zur Verarbeitung können Naturfasern einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Klimaerwärmung leisten. Die Nutzung in technischen Textilien, gerade auch im Hinblick auf Verbundwerkstoffe bietet großes Potential, da die Eigenschaften von Naturfasern sich in diesen Bereichen sehr gut nutzen lassen. Eine besonders effiziente und damit günstige Möglichkeit zur Herstellung von textilen Flächen, die dann zu Naturfaserverstärkten Kunststoffen – NFK – weiterverarbeitet werden können, ist die Vliesstoffherstellung. Gerade im Hinblick auf Naturfasern bieten sich einige wesentlich Vorteile.
Vorteile von Naturfasern zur Vliesstoffherstellung
Naturfasern liegen immer als Stapelfasern begrenzter Länge vor, was für die Vliesstoffherstellung, gerade im Krempelverfahren, zwingend erforderlich ist. Zudem können die Naturfasern im Prozess direkt mit thermoplastischem Matrixmaterial gemischt werden, sofern diese ebenfalls als Stapelfasern vorliegen. Die so hergestellten Mischvliese können anschließend im Heißpressverfahren zu fertigen Verbundwerkstoffbauteilen gepresst werden. In den letzten Jahren wurden am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University, kurz ITA, verschiedene Forschungsvorhaben im Bereich der nachhaltigen Faservliese durchgeführt.
Forschungsvorhaben im Bereich der nachhaltigen Faservliese
- Das AiF Cornet Forschungsprojekt „NatureWins“ hatte zum Ziel, biobasierte Verbundwerkstoffe aus 100 Prozent nachwachsenden Rohstoffen zu entwickeln. Zur Umsetzung wurden thermoplastische Biopolymere mit langen Naturfasern zu einem Verbundwerkstoff kombiniert. Die erzielten mechanischen Eigenschaften der hergestellten Bauteile sind mit üblicherweise in der Automobilbranche verwendeten Bauteilen vergleichbar. Als funktioneller Demonstrator wurde ein Autositz aus dem entwickelten Material hergestellt [AiF15N].
- Im EU-Projekt „BioFibroCar“ wurde ein Material für automobile Innenraumteile entwickelt. Auch hier unter der Voraussetzung, dass nur erneuerbare und umweltfreundliche Biopolymere verwendet werden. Dafür wurden neue funktionalisierte Garne aus Biopolymeren entwickelt und hergestellt. Weiterhin wurden neue Compounds aus Polylactid (PLA) mit verbesserten Eigenschaften für die Anwendung im automobilen Innenraum. Es wurden Additive mit antimikrobieller Wirkung als auch geruchshemmende Additive verwendet. Dabei wurden die Eigenschaften des hergestellten PLA-Verbundwerkstoffes mit einem vergleichbaren Polyester-Werkstoff verglichen. Sowohl die Festigkeit als auch die Zugfestigkeit des PLA konnten im Vergleich zum Polyester um 20 Prozent gesteigert werden. Zudem war das E-Modul um 150 Prozent höher bei gleicher Luftdurchlässigkeit [EU15].
- Im Cornet Forschungsvorhaben „BioSRPC“ sollten ebenfalls nachhaltige und biobasierte Verbundwerkstoffe mit Faserverstärkung entwickelt werden. Allerdings wurde hier ein biobasiertes Polymer mit Selbstverstärkung entwickelt. Zur Herstellung der selbstverstärkten Verbundwerkstoffe werden zwei PLA-Typen benötigt: ein Typ mit niedriger Schmelztemperatur zur Bildung der Matrix und ein Typ mit hoher Steifigkeit und höherer Schmelztemperatur für die Verstärkungsfasern. Aus dem Material wurden neben Vliesstoffen auch verschiedene weitere textile Flächen hergestellt. Als Anschauungsobjekte wurden Koffer und Tabletts hergestellt [AiF15B].
- Im Rahmen des AiF Cornet Projekts „System4Green“ (IGF-Vorhaben Nr. 139EN) wurde, unter Mitwirkung des ITA eine wissensbasierte Methode entwickelt, um herkömmliche Verbundbauteile durch Materialien aus 100 Prozent erneuerbaren Ressourcen zu ersetzen. Die Methode wurde vorrangig für Verbundwerkstoffe entwickelt. Neben der Substitution von herkömmlichen Materialien durch erneuerbare Materialien, kann mit der Methode die Entwicklungszeit für Hersteller von Produkten aus erneuerbaren Materialien drastisch verkürzt werden [AiF17].
Hindernisse und Lösungsansätze beim Einsatz von Naturfasern
Trotz fortschreitender Entwicklungen im Themenfeld der nachwachsenden Rohstoffe werden diese nach wie vor nicht in dem Maße eingesetzt wie es prinzipiell möglich wäre. Schwankungen im Eigenschaftsprofil erschweren die Einhaltung von Qualitätsanforderungen. Die Schwankungen sind auf verschiedene Fasersorten, Anbaugebiete, klimatische Bedingungen und Anbaujahre zurückzuführen. Aktuell werden die mechanischen Eigenschaften von NFK-Bauteilen in der Regel anhand von aufwändigen zerstörenden Bauteil-Prüfungen ermittelt und die Bauteilauslegung gemäß den Anforderungen iterativ angepasst. Das Vorgehen stellt besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine große Hürde für den Einstieg in den NFK-Markt dar.
Ein möglicher Ansatz um diese Problematik zu lösen, ist es ein Modell zu entwickeln, das die Berechnung der realisierbaren Eigenschaften von Bauteilen aus naturfaserverstärktem Kunststoff anhand schnell und günstig zu bestimmender Eigenschaften der verwendeten Naturfasern ermöglicht. Als Ansatz für das zu entwickelnde Modell kann beispielsweise das Berechnungsmodell nach Cox und Krenchel herangezogen werden. Unter bestimmten Bedingungen kann ein stark modifiziertes Cox-Krenchel-Modell für die Berechnung von Zugfestigkeit und den E-Moduln von NFK herangezogen werden. Zusätzlich zu den E-Moduln wird die Länge der Einzelfasern berücksichtigt. Dadurch wird auch die effektive Übertragung der Schubkräfte im Bauteil berücksichtigt (Shear-Lag-Theorie). Zusätzlich gibt Krenchel eine Erweiterung der Shear-Lag-Theorie an, mit der die Faserorientierung mit in die Berechnung einbezogen werden kann. Mit der Gleichung kann außerdem die (Zug-)Festigkeit eines Bauteils berechnet werden, wenn man die E-Moduln durch die (Zug-)Festigkeiten ersetzt.
Berechenbare Ergebnisse
In zwei Studien wurde gezeigt, dass hinreichend genaue Ergebnisse erzielt werden können. Allerdings basieren die verwendeten Materialkonstanten auf experimentell ermittelten Werten und Schätzungen anhand von aufwändig herzustellenden Schliffbildern. Die Bestimmung dieser Kennwerte muss für jede Materialkombination und bei Veränderung der Prozessparameter erneut durchgeführt werden [GHP00, MTL09].
Für eine einfache Anwendbarkeit und damit breitere Nutzung eines solchen Modells ist es notwendig das Modell so zu erweitern, dass damit auf Grundlage einfach zu ermittelnder Materialgrößen, die realisierbaren Bauteileigenschaften von NFK-Bauteilen hinreichend genau berechnet werden können. In Bereichen in denen eine Untersuchung zur Substitution von anderen Werkstoffen durch NFK bisher aufgrund der aufwändigen Auslegung gar nicht in Betracht gezogen wurde, kann mit einem anwendungsfreundlichen Auslegungstool leicht eine Einschätzung der Machbarkeit gegeben werden. Da Ressourceneffizienz und Recycling in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle bei der Auslegung neuer Produkte spielen werden, ist es als sehr wahrscheinlich anzusehen, dass der Anteil von NFK bei den Verbundwerkstoffen weiter zunehmen wird.
Jonas Broening, ITA RWTH Aachen Universität
Quellen:
- [AiF15B] AiF CORNET Abschlussbericht BioSRPC, IGF-Vorhaben Nr. 90 EN: Entwicklung selbstverstärkender Verbundmaterialien aus biobasierten Rohstoffen – bio-srpc, Aachen 2015
- [AiF15N] AiF CORNET Abschlussbericht NatureWins: Development of fully renewable thermoplastic bio-composites, Aachen 2015
- [AiF17] AiF CORNET Abschlussbericht System4Green, IGF-Vorhaben Nr. 139EN: Methodology for development of products with renewable raw materials, Aachen 2017
- [EU15] Abschlussbericht zum EU-Projekt BioFibroCar, Antragsnummer: 315479, Aachen 2015
- [GHP00] Garkhail, SK.; Heijenrath, RWH.; Peijs, T.: Mechanical Properties of Natural-Fibre-Mat-Reinforced Thermoplastics based on Flax Fibres and Polypropylene Applied Composite Materials 7 (2000), H. 5/6, S. 351-372
- [MTL09] Madsen, B.; Thygesen, A.; Lilholt, H.: Plant fibre composites–porosity and stiffness Composites Science and Technology 69 (2009), H. 6, S. 1057-1069