24.04.20 – VliesRTM

Unter Hochdruck in Form gebracht: recycelte Carbonfasern in Vliesstoffen

Bei der Verarbeitung textiler Halbzeuge fällt der Verschnitt verhältnismäßig hoch aus. Diese Abfälle galt es im Projekt VliesRTM für eine sekundäre Verwendung nutzbar zu machen.

1_STFI_VliesRTM_Technikum_P1040655_web_TN
 
2_STFI_Carbonrecyc_copyright W SCHMIDT_webTN
 
Alle Bilder anzeigen

Carbonfaserabfälle fallen in den unterschiedlichen Anwendungsbereichen sowohl als Verschnittabfälle textiler Halbzeuge, als auch bei der Aufbereitung zurückgenommener CFK-Strukturen (z.B. End-of-life Bauteile) an. Bei der Verarbeitung textiler Halbzeuge fällt der Verschnitt mit 30 % bis 50 % verhältnismäßig hoch aus. Diese Abfälle galt es im Projekt VliesRTM für eine sekundäre Verwendung nutzbar zu machen.

Ziel war es, mittels Substitution von Neuware durch Recyclingware sowohl einen Beitrag zur Ressourceneffizienz zu leisten, als auch eine Kostenersparnis zu erreichen. Im Rahmen des Vorhabens wurde mit dem Kooperationspartner Fraunhofer-Institut für Chemische Technologien – ICT Pfinztal die Infiltration von Carbonfaserrecyclingvliesstoffen (rCF) mittels des HP-RTM-Prozesses sowie des Nasspressverfahrens (WCM-Prozess) näher betrachtet.

Untersuchung textiler Aspekte

Im Projekt fand am STFI zunächst eine Überprüfung der Eignung unterschiedlicher Carbonfaserabfälle als Ausgangsmaterial für die Vliesstoffherstellung statt. Hierbei wurden sowohl Verschnittreste, Pyrolysefasern als auch bebinderte Carbonfaserabfälle betrachtet. Besonders geeignet zur Herstellung von Vliesstoffen erwiesen sich trockene Verschnittreste, welche als Absaugreste bei der Gelegeherstellung anfallen. Aufgrund ihrer einheitlichen Ausgangslänge, bedingt durch den Randbeschnitt des Geleges, stellen die Fasern im Vergleich zu den anderen Carbonfaserabfällen ein homogeneres Ausgangsmaterial hinsichtlich Fasertype, -schlichte und ‑länge dar.

Neben den Vliesbildungsverfahren (Airlay, Kardierung) wurden unterschiedliche Vliesverfestigungsmethoden (Vernadelung, Maliwatt) hinsichtlich ihrer Infiltrationsgüte und der erzielbaren mechanischen Eigenschaften der entstandenen Komposite/faserverstärkten Kunststoffe/ bewertet. Die eigentliche Infiltration des Vliesstoffes erfolgte im serientauglichen Prozess am Fraunhofer ICT.

Vom Textil zum Leichtbauteil

Die hohen Fließwiderstände im Halbzeug, bedingt durch die Verfestigung mittels Vernadelung (z-Orientierung der Fasern), stellten die größte Herausforderung bei der Imprägnierung im HP-RTM-Prozess und Nasspressverfahren dar. Die besten Ergebnisse hinsichtlich Imprägnierung und mechanischer Laminat-Kennwerte konnten mit einer vernadelten, kardierten Variante erzielt werden. Weiterhin wurden im Rahmen des Projektes mit Unterstützung der Firma Karl Mayer Technische Textilien Chemnitz sog. „Vliesstoffkomplexe“ entwickelt. Airlayvliesstoffvarianten werden inline bei der Gelegherstellung mit ±45°-Carbonfasertapelagen kombiniert, so dass multiaxial verstärkte Vliesstoffe aus recycelten Carbonfasern (rCF) als Halbzeuge für Faserverbundwerkstoffe entstehen. Im Projekt wurde zudem die Möglichkeit der online Binderapplikation mittels Pulverstreuer und Flachbettkaschieranlage überprüft und erste Ergebnisse erzielt.

Das Projekt bietet neben der Möglichkeit der Verwertung von Produktions-, Verschnitt- und End-of-Life-Abfällen auch die Bereitstellung eines kostengünstigeren Produktes auf dem Markt. Zwar weist das Material hinsichtlich Festigkeiten und Steifigkeiten verringerte Eigenschaften im Vergleich zu Primärfaserprodukten auf, bietet jedoch für Anwendungen, bei denen die Gewichtsreduktion im Vordergrund steht ausreichende Kennwerte. Ein Demonstrator veranschaulicht die Drapierfähigkeit der entwickelten Materialien in komplexen Geometrien und zeigt ein mögliches Anwendungsgebiet im Automobilbereich.

Die Projektpartner Fraunhofer-Institut für Chemische Technologien (ICT) und das Sächsisches Textilforschungsinstitut (STFI) in Kooperation mit den AiF-Forschungsvereinigungen DECHEMA - Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. und Forschungskuratorium Textil e.V. schlossen im Dezember 2019 das zweieinhalbjährige IGF-Vorhaben „VliesRTM“ (19192 BG) erfolgreich ab. Die Förderung erfolgte durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Der veröffentlichte Schlussbericht ist nun bei der TIB (Technische Informationsbibliothek Hannover) und am STFI verfügbar.

Kontakt

Katharina Heilos | E-Mail: katharina.heilos@stfi.de | Telefon: 0371 5274-227

Marcel Hofmann | E-Mail: marcel.hofmann@stfi.de | Telefon: 0371 5274-205