16/09/2020 – Saarbrücker Wirtschaftsjurist Eisenbeis warnt vor gefährlichem Missverständnis
Insolvenzantragspflicht ab Oktober wieder in Kraft
Neben Gastro- und Kultureinrichtungen sind vor allem Boutiquen, Bekleidungshäuser, deren Lieferanten und Hersteller von der Corona-Pandemie betroffen.
Etliche insolvente Mode-Label zeugen von der Krise. Insolvenzverwalter Jochen Eisenbeis muss in jüngster Zeit vermehrt Betriebe aus der Textilbranche abwickeln oder versucht, diese weiterzuführen.
Insolvenzverwalter Jochen Eisenbeis:
„Den Innenstädten fehlt die Frequenz und weil viele gesellschaftliche Anlässe wie Hochzeiten, Bälle oder Stadtfeste entfallen, fehlt die Motivation, sich neu einzukleiden. Hinzu kommt die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz und das bedeutet, die Leute halten ihr Geld zusammen.“
Der Saarbrücker Wirtschaftsjuris warnt: Wessen Firma ab 01.Oktober zahlungsunfähig ist, der muss dann wieder einen Insolvenzantrag stellen. Davon ausgenommen blieben nur Betriebe, die Corona-bedingt überschuldet sind.
Jochen Eisenbeis:
- „Statistisch begründen maximal 10 Prozent aller Firmen ihren Insolvenzantrag mit Überschuldung.“
- „Aufgrund einiger Verlautbarungen, nach denen die Antragspflicht insgesamt bis 31. Dezember 2020 ausgesetzt bleibe, besteht die Gefahr, dass sich Geschäftsführer in falscher Sicherheit wiegen.“
- „Auch vielen Steuerberatern ist diese juristische Feinheit nicht bewusst!“
Im März 2020 hatte der Gesetzgeber die Corona-bedingte Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit bis zum 30.September ausgesetzt. Der am 02. September vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf, der nun dem Bundestag vorliegt, duldet einen Verzicht, Insolvenz anzumelden, demnach aber nur noch bei Überschuldung.
Wer dagegen ab 01. Oktober zahlungsunfähig ist, also seine fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr zahlen kann, macht sich strafbar, wenn er keine Insolvenz anmeldet.
Jochen Eisenbeis: „Die verkürzte Kommunikation in der Öffentlichkeit ist brandgefährlich.“
Jochen Eisenbeis wird mit seinen Kollegen Martin Glasow und Oliver Bauer regelmäßig in mehreren Bundesländern zu Insolvenzverwaltern bestellt.
Der Jurist warnt: „Geschäftsführer haften bei Zuwiderhandlung im Einzelfall persönlich und machen sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar.“
In ihrer Praxis mit bundesweit 800 Fällen jährlich sei Zahlungsunfähigkeit in mindestens 90 Prozent aller Fälle der maßgebliche Insolvenzgrund. In der Textilbranche sei dieses Risiko besonders hoch.
Eisenbeis sieht dringenden Handlungsbedarf, da der Gesetzesentwurf keine Übergangsregelung kenne:
„Wenn am 01.Oktober 2020 die Antragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit wieder besteht, kann sich ein Geschäftsführer nicht mehr auf den gesetzlich vorgesehenen Sanierungszeitraum von drei Wochen berufen.“