30.03.21 – Grüner Knopf
Nachhaltig auf den Zahn gefühlt
Die Corporate Social Responsibility eines Unternehmens zertifizieren. Wie das funktioniert, erläutert unsere Autorin Sabine Anton-Katzenbach.
Es gibt bereits hunderte Label zur Kennzeichnung ökologisch und sozial hergestellter Textilien und Bekleidung. Trotzdem kam im Herbst 2019 mit dem staatlichen Siegel „Grüner Knopf“ noch ein weiteres hinzu. Im Gegensatz zu vielen anderen Zertifikaten, die sich beispielsweise auf eine umweltverträgliche Produktion oder faire Fertigungsbedingungen fokussieren, nimmt der „Grüne Knopf“ im Grunde genommen die Corporate Social Responsibilty eines Unternehmens unter die Lupe.
Mit dem Textilsiegel „Grüner Knopf“ will das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die Corporate Social Responsibility eines Unternehmens zertifizieren.
Gefordert wird einerseits die Herstellung von Textilien nach festgelegten Standards, andererseits muss das Unternehmen sein nachhaltiges Verantwortungsbewusstsein nachweisen. Was sich in einem Satz zusammenfassen lässt, bedeutet allerdings sehr viel Arbeit, der Nachweis einer nach Umwelt- und Sozialkriterien durchgeführten Produktion ist da meist noch der einfachere Teil, denn der „Grüne Knopf“ setzt ja hier auf bestehende Zertifizierungen.
Auf Produktebene wird der Standard 100 by Oeko-Tex gefordert.
Als Nachweis einer sozial und ökologisch korrekten Fertigung in Konfektion und Färberei akzeptiert das staatliche Siegel die Standards Oeko-Tex Made in Green, Global Recycle Standard, Global Organic Textile Standard (GOTS) oder Naturtextil Best des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft (IVN, Berlin).
Außerdem sind der Blaue Engel – mit dem Label sind immerhin schon sechs Unternehmen ausgezeichnet – und eine Zertifizierung nach Faitrade Textile Production (nicht zu verwechseln mit dem Fairtrade Produkt-Siegel!) zugelassen.
Alle sechs Standards gelten als Nachweis für eine ökologisch und sozialverträgliche Herstellung in den Fertigungsstätten und werden ohne zusätzliche Audits akzeptiert.
Bekenntnis zu Ethik oder Umwelt reicht nicht
Weil sich die Modebranche aber nicht erst seit dem Einsturz des Rana Plaza um bessere soziale Rahmenbedingungen in der internationalen Konfektionsindustrie bemüht, hat der Grüne Knopf auch die Standards SA8000 (Einführungsjahr 1997), FairWearFoundation (1999 ins Leben gerufen) und den Worldwide Responsible Accredited Production (WRAP) aus dem Jahr 2000 aufgenommen. Da die Schwerpunkte dieser drei Siegel auf ethischen Aspekten beruhen, muss, wer den Grüne Knopf haben will, noch einen zusätzlichen Umweltstandard vorlegen. Anerkannt sind Bluesign und Cradle-to-Cradle oder die oben aufgeführten „Voll“-Siegel. Andersherum kommt es auch vor, dass Modemarken und ihre Zulieferer über einen vom Grünen Knopf anerkannten Umweltstandard verfügen – für das staatliche Siegel ist dann aber noch ein gelisteter Sozialstandards nachzuweisen.
Grundsätze von verantwortungsvollem Handeln
Ist die Zertifizierungsfrage in der Lieferkette (Konfektion und Färberei) geklärt, geht es an die Prüfung des eigenen Unternehmens. Dafür hat der Grüne Knopf fünf Kategorien aufgestellt und mit zahlreichen Maßnahmen versehen.
Kernelement 1 mit dem Titel „Unternehmenspolitik ausrichten“ fordert ein Bekenntnis zu verantwortungsvollem unternehmerischem Handeln für die eigene Geschäftstätigkeit und die Geschäftspartner in der Lieferkette. Dieses soll sich in einer Grundsatzerklärung widerspiegeln; sie muss ein klares Bekenntnis zu „Prävention, Minderung und Wiedergutmachung von tatsächlichen negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt durch die Beschaffungspraxis, mindestens entsprechend der in den OECD-Empfehlungen für den Textilsektor aufgeführten Themen-/Risikofelder“ enthalten. Außerdem muss sie auf die Menschenrechtskonventionen und die ILO Kernarbeitsnormen verweisen.
Mit einigen wenigen Sätzen ist es dabei nicht getan – jeder Aspekt muss angesprochen werden. Hilfestellung für die Ausgestaltung einer Grundsatzerklärung kommt vom Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie (Berlin): Er hat eine Leitlinie für einen „Code of Coduct“ entwickelt. Eine Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen der eigenen Geschäftstätigkeit kann er allerdings nicht ersetzen: Spätestens im Audit werden deren Inhalte eingehend diskutiert.
Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Geschäftstätigkeit
Kernelement 2 fordert die Identifizierung und Priorisierung von Risiken, die sich in der textilen Fertigungskette ergeben können bzw. die tatsächlich eintreten. Das ist nur möglich, wenn ein zertifizierungswilliges Unternehmen auskunftswillige Produzenten hat, die ihre Vorstufen freiwillig offenlegen. Anhand dieser Informationen kann eine Risikoanalyse erfolgen. Diese muss im Hinblick auf das eigene Geschäftsmodell, die Einkaufspolitik, die Produktionsländer und das Produkt durchgeführt werden.
Als Richtschnur für die Analyse dient der „OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten in der Bekleidungs- und Schuhwarenindustrie“. Er definiert zwölf Module zu Arbeits- und Menschenrechten, Umwelt und Korruption – und liefert zahlreiche Beispiele für deren Relevanz in unterschiedlichen Bereichen der Lieferkette. Sie erleichtern eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer weit verzweigten Fertigung und einer auf Preisminimierung ausgelegten Beschaffung.
Wissen, was man tut
Kernelement 3: Wenn die Analyse der möglichen Auswirkungen in der eigenen Lieferkette abgeschlossen ist, geht es an die Feinjustierung: Für die Grüner Knopf-Zertifizierung muss ein Unternehmen herausarbeiten, welche tatsächlichen Risiken durch die eigene Geschäfts- und Einkaufspraxis oder Geschäftsbeziehungen auftreten, und zwar mindestens auf Konfektionsebene und einem vorgelagerten Produktionsschritt (gemeint ist die Färberei). Das bedeutet, dass ein Grüner Knopf-Anwärter mit zertifizierten Produktionspartnern zusammenarbeitet, die ihm Zugang zu ihren Auditberichten gewähren; diese offenbaren mögliche Schwachstellen in den Betrieben. Außerdem sollte ein Unternehmen in den Produktionsstätten eigene Überwachungssysteme zur Einhaltung von Umweltschutz und Compliance, Arbeits- und Menschenrechten installieren.
Darüber hinaus fordert das staatliche Siegel die Konsultationen mit potenziell Betroffenen, Brancheninitiativen und Vertretern zivilgesellschaftlicher Akteure, die über Risken in den Betrieben informieren. Sind diese Hausaufgaben erledigt, müssen die ermittelten Auswirkungen priorisiert und effektive Maßnahmen zur deren Beseitigung abgeleitet werden.
An einem aktuellen Beispiel soll die Zielsetzung der vom Grünen Knopf geforderten, mehrstufigen Risikoanalyse verdeutlicht werden:
Im Herbst 2020 wurde bekannt, dass ein großer Teil der chinesischen Baumwolle aus der Provinz Xinjiang stammt. Dort werden hunderttausende muslemische Uiguren zwangsweise bei der Baumwollernte eingesetzt, was einem groben Verstoß gegen Menschen- und Arbeitsrechte gleichkommt. Im Rahmen der Risikobewertung muss ein Unternehmen klären, ob chinesische Baumwolle für die Herstellung der georderten Ware verarbeitet wird und ob diese aus der Provinz Xinjiang stammt. Im nächsten Schritt muss überprüft werden, ob es in den eigenen Zulieferbetrieben zu Zwangsarbeit kommt. Da mit entsprechenden Informationen aus den Fabriken nicht zu rechnen ist, sind Brancheninitiativen – in diesem Fall würde sich die Coalition to End Forced Labour – hinzuzuziehen, die die Lage besser beurteilen können. Stellt sich heraus, dass in der Lieferkette tatsächlich internierte Uiguren arbeiten, sind Maßnahmen zur Beseitigung zu ergreifen – beispielsweise ein umgehender Verzicht auf Baumwolle aus Xinjiang oder Kompensationszahlungen an die Zwangsarbeiter. Zusätzlich muss die Beschaffungsstrategie eines Unternehmens derartige Verstöße so weit wie möglich ausschließen, was beispielsweise durch Lieferantenvereinbarungen und Einkaufsrichtlinien geregelt werden kann.
Jede Stimme zählt
Übertretungen oder die Missachtung von Umweltschutz, Menschen- und Arbeitsrechten oder Anti-Korruptionsvereinbarungen gehören nicht zu der Schokoladenseite eines Produzenten. So manche Verfehlung in den Textil- und Bekleidungsfabriken dürfte daher unter dem Deckel gehalten werden.
Um Vertuschungen zu erschweren und mehr Transparenz in das tatsächliche Geschehen in den Produktionsstätten zu bringen, fordert der Grüne Knopf einen Beschwerdemechanismus (Kernelement 5). Er soll Beschäftigten in den Zulieferbetrieben die Möglichkeit geben, Negativeffekte, die im Zusammenhang mit den Aufträgen des Unternehmens entstehen, anzuzeigen. Der Auftraggeber hat die Pflicht, die eingehenden Beschwerden zu bewerten und wirkungsvolle Abhilfemaßnahmen zu entwickeln.
Am Ende aller Prozesse steht deren öffentliche Kommunikation: Da sich das Siegel einer umfassenden Verbraucheraufklärung verschrieben hat, müssen alle relevanten Informationen auf Abruf verfügbar sein – idealerweise auf der Homepage.
Unternehmen, die sich für eine Zertifizierung mit dem Grünen Knopf entschließen, sollten möglichst bald handeln. Noch übernimmt das BMZ die Kosten einer Erstprüfung (Pilot-Zertifizierung), wenn der Betrieb als Vorreiter aktiv am Grünen Knopf mitwirkt. Allerdings sind die für die Einführungsphase bereitgestellten Mittel begrenzt, weshalb sich eine baldige Anmeldung empfiehlt. Danach heißt es Gas geben, denn die Umsetzung der Siegel-Anforderungen können zeit- und arbeitsaufwändig sein.
Insgesamt drei Monate hat ein mittelständisches Textilunternehmen von der Anmeldung bis zur Zertifizierung mit dem Grünen Knopf gebraucht. Dabei wurde es von der Textilberatung Hamburg begleitet, die über eine langjährige Expertise in der Textilproduktion verfügt und auf Nachhaltigkeit spezialisiert ist.