16.11.22 – Im Gespräch mit Michael Ernst

3D-Transformation als Teil der Unternehmens-Strategie

In unserem ausführlichen Interview mit Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Michael Ernst bietet textile network einen vertiefenden Einblick in die 3D-Realität bei Bekleidung, eine zukunftsfähige Lösung mit jeder Menge unternehmensspezifischem Spielraum.

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In die entspannt-inspirierende Umgebung der Tiroler Berge hatten sich der „3D-Guru“ und unsere Redaktion zu Klausurgesprächen zurückgezogen. © Klosterbräu

 
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Michael Ernst (links) im Gespräch mit Sobhi Foudeh, Geschäftsführer von Heinen Markets + Media. © Yvonne Heinen-Foudeh

 

„Erfolg ist das Ergebnis täglicher kleiner Leistungen“ – diese Erkenntnis trifft wohl auch im höchsten Maße für die Transformation hin zu einer Ergebnis-orientierten, Prozess-integrierten 3D-Produktentwicklung von Bekleidung zu – wie wir von der Koryphäe Michael Ernst lernen. Crux und Kernpunkte für den nach wie vor zögerlichen Durchbruch von 3D-Technologie hat er in unseren Print-Ausgaben textile network 2/2022 und 3/2022 auf den Punkt gebracht – offen und unverblümt. Hier nun ein Auszug aus dem letzten Teil des Interviews in Ausgabe 4/2022.

textile network: Kommen wir zu Ihrer Schlüssel-Domäne in Forschung und Lehre: Dem dreidimensionalen Design von Bekleidung. Rückt die Branche nach Ihrer Einschätzung einer zukunftsorientierten Strategie rund um das Thema Modell- und Schnittentwicklung/-optimierung in absehbarer Zeit näher? Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach erforderlich, um den breiten Einsatz der vorhandenen Technologie zu beschleunigen?

Michael Ernst: Der Prozess hat ja seit langem begonnen. Dennoch steht die Branche insgesamt, insbesondere beim Umstellen und Abgleichen der Prozesse, produktentwicklungsübergreifend vor immensen Herausforderungen. Und diese lassen sich nicht von heute auf morgen bewältigen.

Was im 2D-Bereich über entsprechende Import- und Exportfunktionen systemübergreifend zumeist beherrschbar ist, lässt sich im 3D-Bereich nicht ganz so einfach umsetzen – auch wenn genau das immer wieder gewünscht wird. Die Simulationsdateien lassen sich eben (noch) nicht austauschen und das systemübergreifende Arbeiten schränkt somit die von 2D gewohnte Flexibilität schon einmal deutlich ein.

Die Vision führt zu einer überwiegend im virtuellen Raum durchgeführten Produktentwicklung, bei der ich am Anfang bereits alles digital zu Verfügung stelle: Schnitte, Simulationen, Materialparameter (physikalisch und visuell), PDM-Informationen, Tech-packs usw. Um dann auf dieser Ebene mit allen am Prozess Beteiligten, bis zu dem zu definierenden Punkt zu kommunizieren. Wobei der Transfer in die Realität eines realen Prototyps unabdingbar ist und ich somit alle erforderlichen Produktdaten aus der „cloud“ beziehe, spätestens für die Produktion.

Das klingt jetzt sehr nach Zukunftsmusik und lässt in den zumeist bekannten Strukturen und den alltäglichen Herausforderungen viele Fragen aufkommen. So ist es zweifelsohne notwendig, sich mit der fundamentalen Transformation in ausreichender Tiefe auseinanderzusetzen, und nicht nur im hektischen Arbeitsalltag.

textile network: Was kann zur Akzeptanzsteigerung der 3D-Arbeitsweise bei den Anwendern beitragen? Wo sehen Sie die Prioritäten?

Michael Ernst: In der Regel haben fast alle Anbieter wohl die Schwerfälligkeit ihrer 3D-Systeme erkannt und arbeiten daran, dies zu glätten – im Rahmen der Komplexität, die ggf. bei einer eine kompletten 2D-Anbindung vorgegeben ist. Wir sprechen hier nun einmal von äußerst komplexen, programmierten Abläufen. Diese können, wenn eine gewisse Tiefe erreicht werden soll, auch nicht ohne weiteres völlig neu aufgesetzt werden. Selbstredend gibt es da Unterschiede bei den diversen Anbietern. Die Flexibilität der Stand-alone-Systeme lässt sich mit einem kompletten voll ausgereiftem 2D-System im „Schlepptau“ eben nicht ganz so leicht toppen. Auch wenn dies erstrebenswert ist, weil die Vorteile der Integration von 2D und 3D auf der Hand liegen.

Hier sei angemerkt: Das „Denken“ können die Systeme dem Anwender nicht abnehmen. Die Erwartungshaltung scheint allerdings in diese Richtung zu gehen.

textile network: Dazu tritt dann noch die Komponente der biegeschlaffen Materialien und deren direkter Einfluss auf Design, Schnitt und Fertigung. So nehme ich all die genannten Problematiken und ungelösten Herausforderungen und transferiere sie in die virtuelle Welt. Von alleine löst sich der Knoten da dann aber auch nicht ...

Michael Ernst: Bei den physikalischen Materialparametern grassiert nach wie vor die Meinung, dass die Systeme eine unendliche Vielzahl von Materialien wirklich unterschiedlich simulieren können müssen. In Anbetracht aller Simulationsparameter, wie z. B. Gittergröße (Mesh), Reibung, Abstand zu Avatar, Kollisions-Management, Realitätsnähe der virtuellen „Fertigung“, gibt es da aber noch zahlreiche Stellschrauben und dennoch werden permanent zeitaufwendig die Materialparameter geprüft. Alle Systeme können jedoch nur eine begrenzte Anzahl von physikalischen Materialparametern diversifiziert und wirklich wahrnehmbar simulieren. Das muss man einfach akzeptieren.

  • Lesen Sie das vollständige Interview mit Michael Ernst in unseren Print-Ausgaben 2-4/2022. Hier geht es zum Print- oder Digital-Abonnement.