28.09.21 – Nachhaltige Isolationsmaterialien

Nähwirkvliesstoffe neu denken

Tenowo ist sich der wachsenden Nachfrage nach recycelten Faserstoffen bewusst und setzt zur Fertigung von Nähwirkvliesstoffen recycelte Polyesterfasern ein.

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Tenowo-Multiknit für Outdoorbekleidung: Bald könnten auch die Tenowo Polfaser-Vliesstoffe zum Einsatz kommen. © Tenowo

 
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Wärmedurchgangswiderstände aller getesteten Materialien © TU Chemnitz

 

Recycling und Kreislauffähigkeit sind nur ein Teil des aktuellen Nachhaltigkeitstrends und werden in den nächsten Jahren unverzichtbar sein. Der wachsenden Nachfrage und der ökologischen Vorteile von recycelten Faserstoffen ist sich auch die Tenowo GmbH bewusst. Daher werden im Unternehmen schon seit Jahren zur Fertigung von Nähwirkvliesstoffen recycelte Polyesterfasern eingesetzt.

Der Einsatz der Nähwirkvliesstoffe fokussiert sich derzeit u. a. auf den Automobilbereich zur Substitution von polyurethanbasierten Schaumstoffen im Sitzbereich. Die positiven dämmenden Eigenschaften der Vliesstoffe durch ihren hohen Volumengehalt stärken das Interesse an weiteren Marktsegmenten, so auch im Bereich der Outdoor und Sportartikel tätig zu werden und neue Anwendungsgebiete für Nähwirkvliesstoffe zu finden.

Multifunktional und nachhaltig

Prinzipiell ist der Einsatz von Kunit und Multiknit Nähwirkvliesstoffen als Wärmeisolationsschicht in hautnahen, textilen Verbundsystemen denkbar. Auch als Schallisolationssysteme sind die Vliesstoffstrukturen geeignet. Der Grund hierfür liegt in der hohen Voluminösität und den eingeschlossenen Luftbereichen, die technologiebedingt bei der Vermaschung einer dieser Faservliese entstehen. Aus einem gekrempelten Faserflor werden Polfalten so gelegt, so dass sie anschließend durch das Einstechen einer Nadel verfestigt und einseitig (Kunit) bzw. zweiseitig (Multiknit) vermascht werden. Durch das spezielle Herstellungsverfahren können Voluminösität und Porosität durch die Herstellungsparameter gezielt eingestellt und die isolierenden Eigenschaften verbessert werden.

In der Praxis kommen Kunit- und Multiknitstrukturen in hautnahen Anwendungsbereichen nur selten zum Einsatz, dabei bieten sie für diese Anwendungen eine interessante, im Prozess anpassbare Vliesstoffstruktur und die Möglichkeit Natur- und vor allem Recyclingfasern für neue Anwendungen einzusetzen. Mit den Verfahren sind Isolationsmaterialien aus nahezu allen Fasertypen herstellbar, die als natürliche endliche Fasern oder als geschnittene synthetische Fasern, einschließlich cellulosebasierter Fasern vorliegen.

Vliesstoffe im Test

In einer Untersuchung, die gemeinsam mit der Professur Textile Technologien der TU Chemnitz durchgeführt wurde, konnte der Nachweis der Konkurrenzfähigkeit der Wirkvliesstoffe im Isolationsbereich für Outdoor- und Heimtextilien erbracht und ein Prototyp eines Polfaser-Vliesstoffes für Isolationsanwendungen entwickelt werden. Dazu wurden zunächst die drei Materialtypen Wolle, Lyocell und recyceltes Polyester näher betrachtet. Anhand der sechs Kriterien Kosten, Wärmedurchgangswiderstand, Wasserdampfdurchgangswiderstand, Wasseraufnahme der Faser, Verarbeitbarkeit der Faser und Nachhaltigkeit wurde für die weiterführenden Untersuchungen das Material aus recyceltem Polyester ausgewählt und Nähwirkvliesstrukturen mit den Verfahren Kunit und Multiknit mit möglichst hohem Wärmeisolationspotential entwickelt, produziert und getestet. Dabei wurden optimale Faser- und Strukturparameter mittels umfassender Literaturrecherche definiert.

Neben Feinheit, Kräuselung und Querschnittsgeometrie der Fasern haben vor allem Dicke, Flächengewicht und Porosität einen großen Einfluss auf bekleidungsphysiologische Kenngrößen, wie Wärmedurchgangswiderstand und Wasserdampfdurchgangswiderstand. Diese und weitere textilphysikalische Kennwerte wurden im darauffolgenden Schritt an den entwickelten Prototypen bestimmt. Zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit und eine mögliche Einordnung vornehmen zu können, wurden außerdem ausgewählte Konkurrenz-Volumenvliese untersucht und geprüft. Diese werden bereits als isolierende Wattierung in Bekleidung oder Schuhen eingesetzt.

Polfaser-Vliesstoff für Bekleidung geeignet

Es zeigte sich vor allem eine starke Abhängigkeit von Strukturparametern wie Dicke und Porosität. Die Tenowo Polfaser-Vliesstoffe konnten bei den Eigenschaften Wärmeisolation, Luftdurchlässigkeit und Atmungsaktivität vergleichbar hohe Werte, wie die am Markt verfügbaren Konkurrenzprodukte erzielen. Einzig in den Bereichen Waschkrumpf und Wasseraufnahme gibt es für die Polfaser-Vliesstoffe weiterhin Entwicklungsbedarf, um die gesetzten Grenzen zu maximieren.

Resultierend aus den Untersuchungen kann herausgestellt werden, dass Nähwirkvliesstoffe, speziell Polfaser-Vliesstoffe, für den Einsatz als Füllvlies oder Einlagenstoff in versteppten Waren und Bekleidungstextilien geeignet sind. Das technologiebedingt höhere Flächengewicht und der daraus resultierende Einfluss auf den Tragekomfort bei Bekleidung wird durch die positiven Effekte der Erhöhung der Kreislauffähigkeit für Produkte mit isolierenden Eigenschaften kompensiert. Um die bekleidungsphysiologischen Eigenschaften des Polfaser-Vliesstoffes weiter zu verbessern, existieren verschiedene Ansätze, wie die Erhöhung der Dicke oder der Einsatz von stark texturierten Fasern.

Mit den Untersuchungen ist eine theoretische Grundlage für das Wärmeisolationspotential von Polfaser-Vliesstoffen geschaffen. Auf deren Basis sind neuartige Füllvliese aus alternativen Fasermaterialien oder als Verbund aus mehreren Lagen, sowie vor allem die Verarbeitung von naturbasierten oder recycelten Fasern zu nachhaltigen Isolationsmaterialien geplant.

Autoren: Sebastian Baehr, André Matthes, Caroline Lotzmann, Anja Schumann, TU Chemnitz

Quellenverzeichnis:

[1] Fuchs, Hilmar (Hrsg.); Albrecht, Wilhelm (Hrsg.): Vliesstoffe : Rohstoffe, Herstellung, Anwendung, Eigenschaften, Prüfung. 2., vollst. überarb. Aufl. Weinheim: Wiley-VCH, 2012.